Travel Report 16/2: Verbrannt

2012, Sansibar: Nachdem ich einige regenreichen Tagen in Daressalam und in Stone Town auf Sansibar ertragen hatte müssen, schien endlich die Sonne wieder und ich genoss den wunderbaren Tag, an dem ich gerade an der Nordküste der Insel Sansibar den Strand entlang schlenderte. Meine schlimmsten Befürchtungen, dass der Regen überhaupt nicht mehr aufhören würde, als ich die riesige Wolke bis hinunter nach Südafrika auf dem Satellitenbild des Wetterdienstes sah, waren zum Glück nicht eingetreten. Der Regen hatte zeitweise so stark vom Himmel herunter geprasselt, dass Überflutungen zu befürchten waren und als ich mit der Fähre hier her kam, konnte man kaum zehn Meter aus dem Schiff sehen. Dazu hatte sich hoher Wellengang gesellt und so gab es nicht wenige, die sich während der Fahrt in Gebeten und rituellen Kreuzigungsgesten, die Angst zu nehmen suchten. Es war noch nicht lange her, da war hier eine Fähre gekentert und das Meer hatte 500 Menschen verschluckt. So etwas konnte in diesem Teil der Welt schon mal passieren, dennoch war Tansania meinen ersten Eindrücken nach ein deutlich weiter entwickeltes Land, als es das arme Äthiopien gewesen ist, in dem ich gezwungener Maßen auf meiner Anreise zwei Nächte hatte verbringen müssen (Travel Report 16/1). In Daressalam konnte ich sogar auf einer Fußgängerzone flanieren und es gab eine Vielzahl an netten Restaurants, die rege besucht wurden. Sansibar war bereits ein durch und durch auf den Tourismus eingestellter Ort mit einer Vielzahl an Hotels, Resorts und anderen Unterkünften. Ich war überrascht über all das, kannte ich Afrika ja bisher nur aus den Elendsberichten, die von den deutschen Medien verbreitet wurden. Solch populistische und wenig objektive Reportagen zu Hause hatte mir ein völlig anderes, falsches Bild vermittelt, als sich die Situation jetzt in der Realität darstellte.

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Strandhütten

Die Strecke am Strand musste etwa drei Kilometer lang gewesen sein und es war schon knapp eine Stunde verstrichen, bis ich am nördlichen Zipfel der Insel in Banda Kuu angekommen war. Meine Sonnencreme lag im Hotel, weshalb ich mich im Schatten der etwa vier Meter hoch ansteigenden Felswand neben dem Strand bewegt hatte und dabei sehr vorsichtig gewesen war, nicht allzu viel von der Sonne abzubekommen. Der Sommer in Deutschland war schon vor langer Zeit den grauen Tagen des Winters gewichen, weswegen meine Haut keinerlei Einstrahlung gewohnt war. Ich setzte mich also, jetzt wo der Fußmarsch vorbei war, in den Schatten der improvisierten Hütten von den Strandverkäufern und bestaunte die in schrillen und bunten Kleidern angezogenen afrikanischen Frauen, die am Strand herum lagen und im Wasser badeten. Auf mich wirkte diese Szene äußerst befremdlich, kannte ich Strände bisher ja nur, wenn sie mit nackten oder halbnackten weißen Menschen belegt waren. Nachdem ich einige Zeit in der Hütte gesessen hatte, kam ich mit einem der Schmuckverkäufer ins Gespräch, der mir gar nicht erst die Qualität seiner Produkte schmackhaft machen wollte, sondern gleich auf meine moralischen Pflicht hinwies, ihn unterstützen zu müssen. Vor so viel Ehrlichkeit konnte ich mich natürlich nicht als geiziger Zeitgenosse präsentieren und kaufte ihm, freilich deutlich überteuert, eine Kette mit Afrika Emblem und grün, gelb, rotem Halsband ab. Anschließend schaute ich mir ein Dorf an, das in der Nähe des Strandes lag. Hier ging alles mit sehr primitiven Mitteln zu, die Hütten waren aus Holz und Wellblech zusammen genagelt und dahinter lag in krassem Kontrast das Hilton Resort. Als ich mich auf den Rückweg machte, sah ich, wie die Flut das Wasser schon recht nahe an die Felsen herangespülte und überlegte kurz, ob ich nicht besser die Straße oberhalb der Felsen nehmen sollte. Aber ich hatte die Sonnencreme nicht dabei und so entschloss ich mich, erneut an der schützenden Felswand den Strand entlang zu laufen, obwohl auch hier nur noch wenig von dem Schatten übrig geblieben war.

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Am Strand

Ich war schon gut fünfhundert Meter weit gelaufen, als mich zum ersten Mal eine Welle beinahe umgeworfen hätte, doch noch kam das Wasser meistens nur Knöchelhoch, so dass ich versuchte, immer zwei, drei Schritte weiter zu gehen, wenn sich die Wellen zurückgezogen hatten und anschließend dem Wellengang, als er gegen die Felswand schlug, Stand zu halten. Dabei gelang es mir zunächst noch recht gut, auch meinen Rucksack weitgehend über Wasser zu halten, damit die Kamera und andere Wertgegenstände nichts beschädigt wurden. Kurz überlegte ich mir umzukehren, sah aber hinter mir inzwischen dieselben Wellen toben wie sie es vor mir taten. Das Wasser drückte nun mit immer größerer Wucht gegen die Felsen, wich immer weniger zurück und ich hatte noch vielleicht weitere fünfhundert Meter zu gehen, bis ich an der Stelle ankam, an der die Felswand in einen offenen Strand überging. Auf einmal schlug mich eine Welle nieder und drückte mich gegen die Wand, dass es mich die größte Mühe kostete, mich wieder zu fangen und standhaft zu werden. Inzwischen war ich völlig durchnässt und auch der Rucksack war einmal  kurzzeitig unter das Wasser geraten. Ich versuchte nun, so nah wie möglich an der Wand entlang zu laufen, um nicht mehr aus dem Stand zu kommen, was mir Mühe und Not auch gelang. Dabei nahm ich jetzt auch in Kauf, dass der Rucksack mit allen Wertgegenständen nass wurde, ich wollte nur noch so schnell wie möglich aus den Wassermassen herauskommen. Von den spitzen Felskanten trug ich inzwischen mehrere Schnitte an den Fingern und den Füßen davon und immer wieder wurde ich von den Wellen überspült. Die Schnitte bluteten stark und mein weißes T-Shirt färbte sich rot und röter, so kroch ich eine halbe Stunde später buchstäblich hinter der letzten Felskuppe hervor und legte mich erschöpft auf den Sand.

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Vor der Flut

¨You need a doctor¨, ¨You need a doctor¨ riefen mir einige entsetzte Afrikaner zu, die am Strand gesessen waren und jetzt hilfsbereit zu mir herbei geeilt kamen. Alles sah jedoch, bedingt durch mein blutiges T-Shirt, viel schlimmer aus, als es in Wirklichkeit war. Von einem Arzt wollte ich nichts wissen, vielmehr war ich um meine Wertsachen besorgt. Noch immer unter Schock, nutzte ich eines der ersten Strandcafés, um eine Inspektion diesbezüglich vorzunehmen. Die Kamera, obwohl in einer Plastiktüte eingepackt, ließ sich nicht mehr einschalten, der Pass war durchweicht, so dass ich die einzelnen Seiten vorsichtig voneinander trennen und das Dokument aufgefächert zum Trocknen in die Sonne stellen musste. Auch die Dollarscheine und die Kreditkarten waren völlig durchnässt, es war also alles unter Wasser gewesen, was irgendeinen Wert hatte. Als ich selbst wieder trocken genug war, fuhr ich mit meinem blutverschmierten T-Shirt in einem Bus unter den argwöhnischen Blicken der anderen Passagiere zurück zu meinem Hotel in Stone Town und genehmigte mir auf den Schrecken hin ein Bier auf der Dachterrasse, welches mir von der sehr hübschen, aber doch auch sehr einfältigen Bedienung serviert wurde. Ein liebes Mädchen, welches mir jeden Morgen mein Frühstück zubereitete und jeden Abend mein Bier ausschenkte, mit dem leider aber keine vernünftige Konversation aufgebaut werden konnte, obwohl sie des Englischen sehr wohl mächtig war. Sie verstand leider die einfachsten Dinge nicht und ich konnte ihr nicht einmal auf einer Weltkarte erklären, wo ich schon überall gewesen war, da sie das Konzept der Kartographie nicht nachvollziehen konnte. Langsam machte sich nun auch der ungeheuerliche Sonnenbrand bemerkbar, den ich mir an diesem Tag eingeholt hatte. Durch den Kampf mit den Wellen dauerte die Passage an der Felswand vorbei fast eine Stunde, in der ich weitgehend ohne Schutz der Sonne ausgesetzt gewesen war und nachdem ich es geschafft hatte, saß ich zum Trocknen in der Sonne. So wachte ich am kommenden Morgen unter meinen Dollarscheinen auf, die über dem Bett an mehreren Schnüren zu Trocknen aufgehängt waren und spürte, wie sich an Armen, Schultern und am Nacken eine Vielzahl an kleinen, mit Wasser gefüllte Beulen gebildet hatten, die mich in den kommenden Tagen auf unangenehme Art und Weise noch beschäftigen sollten.

Reiseberichte:

Travel Report 16/1: Ausversehen in Äthiopien
Travel Report 16/2: Verbrannt
Travel Report 16/3: Zwischen Meru und Kilimanjaro
Travel Report 16/4: Am Viktoriasee
Travel Report 16/5: Am Blauen Nil

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