Travel 16/3: Zwischen Meru und Kilimanjaro

„Sie haben Ihren Fahrschein vergessen“, rief mir ein unbekannter Afrikaner in deutscher Sprache zu. Er sah nicht sehr vertrauenswürdig aus und ich fragte mich, wie so etwas Mitten in Arusha am Fuße des Kilimandscharos sein konnte und woher er wusste, dass ich am Tag zuvor ein Ticket nach Uganda gekauft hatte. Es handelte sich sicherlich um einen Betrugsversuch, daher winkte ich schnell ab und ging in mein Hotel, um mich für die Safari vorzubereiten. In weniger als einer Stunde schon sollte ich meinen privaten Tourguide mit dem Namen Julius Juvasabe in einem Restaurant treffen, wo ich das Geld für den Trip übergeben musste. Juvasabe machte einen netten Eindruck auf mich, doch waren es immerhin 1.800 Dollar, die ich für die vier Tage zu entrichten hatte. Wohl war mir bei der Geldübergabe nicht, konnte ich ihm trauen? Aber er war mir ja von Freunden empfohlen worden und die hatten sehr gute Erfahrungen mit seinen Diensten gemacht. Allerdings zog ich es vor, ihn etwas besser kennen zu lernen und nicht gleich nach der Geldübergabe wieder zurück in das Hotel zu gehen. So durfte ich ihn bekleiden, als er seinen Toyota Jeep für die Tour vorbereitete. Das Dach des Fahrzeugs konnte man heben und oben herausschauen, eine wichtige Eigenschaft, auf die ich unbedingt bestanden hatte. Freilich war es nicht möglich, diese Sonderausstattung ab Hersteller zu konfigurieren, vielmehr erforderte es einen Fahrzeugumbau, der mehrere tausend Dollar kostete, damit aus einem Geländewagen ein Safarifahrzeug wurde. Wir fuhren kreuz und quer durch die Stadt, tankten und richteten das Fahrzeug und dabei war es sehr interessant zu sehen, wie in afrikanischen Werkstätten gearbeitet wurde. Viel Werkzeug gab es nicht, dafür wurde gehämmert und geschraubt und Julius beteuerte, dass die Mechaniker hier die besten der Welt wären und alles reparieren könnten, was ihnen angetragen wurde.

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Masai

Am kommenden Morgen ging es in aller Frühe los und es dauerte gut drei Stunden, bis wir am Parkeingang in der Nähe des NgoroNgoro Kraters angekommen waren. Nach den Formalitäten fuhren wir in die Steppe hinunter und bereits hier waren zu meinem Erstaunen allerlei Tiere zu sehen. Man hätte vermuten können, die weitläufige Landschaft wäre menschenleer gewesen, aber weit gefehlt. Jedes Mal, wenn ich Julius darum bat anzuhalten, um ein Foto zu machen, sprang ein kriegerisch bekleideter Eingeborener aus den Büschen heraus und turnte um den Geländewagen herum, es kam mir fast so vor, als würden sie in der Böschung auf Touristen lauern. Dazu muss man muss verstehen, dass es am NgoroNgoro Krater eine Handvoll Lodges gab, die im günstigsten Falle gut 500 Dollar pro Nacht kosteten. Die „Crater Lodge“ als das nobelste Etablissement am Kraterrand, verlangte sogar über 1.000 Dollar für eine Nacht, wofür man jedoch in den Genuss eines eigenen Butlers kam, der vermutlich nur ein Hundertstel davon in seinem Geldbeutel klimpern hörte. Die Massai hatten vermutlich auch schon von dem vielen Geld gehört und wollten etwas vom Kuchen abhaben, indem sie sich als lebende Relikte in der afrikanischen Landschaft für Fotografien zur Verfügung stellten. Dabei waren sie schon richtig verdorben und verlangten zwanzig Dollar für ein Bild, was man jedoch mit einigem Geschick auf fünf Dollar herunter handeln konnte. Noch hatten die Massai das Recht, in dieser Gegend zu leben, der Zugang zur Serengeti war ihnen aber glücklicherweise verwehrt. Ihre Population war binnen weniger Jahre von 5.000 auf über 60.000 angewachsen. Ich hoffte, ihre Zeit hier wäre gezählt und es wäre am besten gewesen, sie umzusiedeln, ehe diese einzigartige Landschaft, wie an vielen anderen Stellen schon in Afrika, nicht mehr von den Gnu, sondern von den Ziegen leergefressen wird.

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Löwen

Wir fuhren an mehreren idyllisch gelegenen Massai Dörfern vorbei, ehe wir auf der unendlich weiten Ebene ankamen und während Julius so schnell wie möglich zum Zeltplatz in der Serengeti fahren wollte, war ich ausschließlich am Fotografieren interessiert. Löwen, Hyänen, Giraffen, Vogelstrauße, Elefanten, alles war in reicher Fülle vorhanden. Alleine meine neue Kamera machte mir zu schaffen, die ich völlig überteuert in Arusha hatte kaufen müssen, weil die ursprünglich mitgebrachte auf Sansibar den Wellen zum Opfer gefallen war (Travel Report 16/2). Obwohl ich fast doppelt so viel bezahlte, wie eine vergleichbare in Europa gekostet hätte, verfügte sie noch nicht einmal über manuelle Eingriffsmöglichkeiten. Das Fotografieren war schon in den ersten Stunden hier zu einer Sucht geworden und meine Stimmung wurde nach jedem schlechten Bild gedrückter, denn zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was ich noch alles zu sehen bekommen würde. Im Verlauf des Aufenthalts stellten sich diese Sorgen freilich als völlig unbegründet heraus. Als wir in den kommenden Tagen eine Vielzahl an Rundfahrten in der Steppe durchführten, sahen wir eine unglaubliche Anzahl an Tieren, darunter auch schwer auszumachende Raubkatzen wie die Gebharden. Dazu kamen die unterschiedlichsten Vogelarten in allen Formen, Farben und Größen. Hatten mich die gefiederten Freunde bisher nicht sonderlich interessiert, wurde ich hier zu einem wahren Vogelfreund. Auf dem Zeltplatz versorgte uns unser Koch rund um die Uhr und ich wunderte mich, warum die wilden Tiere um uns herum nicht aus dem Steppengras gesprungen kamen, wenn er die Hähnchen auf dem Feuer grillte. Peinlich wurde darauf geachtet, die kurz gemähte Fläche des Zeltplatzes nicht zu verlassen, es waren ja schon mehrfach Leute spurlos von hier verschwunden. Eine weitere Besorgnis stellte das Zelt dar, ich hielt es zum Schutz vor Kriech- und Stacheltieren strengstens verschlossen. Die Zelte der benachbarten holländischen Familien standen dagegen immer offen und alles konnte ein- und ausgehen, was sich ansonsten im Gebüsch oder unter der Erde versteckte. Ein Graus, der eines Abends den atmosphärischen Sonnenuntergang unterbrach, der wie üblich den Tag abrundete. Kaum war die Sonne untergegangen, erhob sich ein millionenfacher Chor von Insekten zu einem ohrenbetäubenden Sirenenkonzert und ein Schrei aus dem Nachbarzelt, in dem sich ein Skorpion eingenistet hatte, durchzog die weite Landschaft.

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Nilpferd

Als wir nach drei Tagen zurück zum NgoroNgoro Krater fuhren, kamen wir in unserem Zeltlager in den Genuss eines nächtlichen Elefantenbesuchs, wobei die Dickhäuter sich äußerst friedlich verhielten und nur etwas von dem Duschwassertank des Lagers trinken wollten. Auf dem Weg hierher hatten wir an einem kleinen Wellblechhüttendorf Halt gemacht, in dem die Massai das Geld versoffen und verspielten, welches sie sich durch die Fotografien der Touristen verdient hatten. Es war ein eigentümlicher Ort, der da Mitte in der Steppe lag und der wirklich nicht der Vorstellung von einer Safari entsprach. Am besten, man würde sie einfach umsiedeln, dachte ich einmal mehr, als ich am kommenden Morgen um fünf Uhr aufwachte. Ich wollte sofort aufbrechen und hinunter in den Krater fahren, Julius schlief aber noch und so verzögerte sich unsere Abfahrt bis um kurz vor sechs. Trotzdem war es immer noch früh genug, den Krater nicht mit anderen Safaritouristen teilen zu müssen, die vermutlich noch oben in den Lodges beim Frühstück saßen. Der Krater entpuppte sich als ein einzigartiges Spektakel, in dem Flamingos und Nashörner die Hauptakteure darstellten und oben am Kraterrand wachten die Scharfschützen über die Szene, stets dazu bereit, jeden Wilderer unbarmherzig vor das Korn zu nehmen. Als wir am späten Vormittag zurück fuhren, waren schon gut 20 Jeeps vor Ort und rund um eine Löwin hatte es Stau gegeben. Ich war froh, rechtzeitig vor Ort gewesen zu sein, als ich sah, wie die Lodgetouristen mit Halbmeter langen Objektiven sich ihre Trophäen für den geselligen Bilderabend zu Hause sichern wollten. Die Safari war vorbei, in der Nacht darauf übernachtete ich bei Julius, wo ich das afrikanische Dorfleben kennen lernte. Ich hatte über 800 Aufnahmen gemacht, wovon ich drei Viertel noch am selben Abend löschte, denn nichts hasste ich mehr als schlechte oder doppelte Bilder auf meiner Kamera.

Reiseberichte:

Travel Report 16/1: Ausversehen in Äthiopien
Travel Report 16/2: Verbrannt
Travel Report 16/3: Zwischen Meru und Kilimanjaro
Travel Report 16/4: Am Viktoriasee
Travel Report 16/5: Am Blauen Nil

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