Travel Report 24/1: Bei den Kuna Yala Indianern

2014: Panama City/San Blas Inseln: Der Bass der lauten Elektromusik ging durch Mark und Bein und ließ die Wände meines Zimmers im Sekundentakt erbeben. Es war bereits halb zwei Uhr nachts, ich hatte noch immer kein Auge zugetan, denn unter meinem Zimmer befand sich die Diskothek des Hotels, in dem ich untergebracht war. Auch die Ohrenstöpsel nutzten in hier wenig und ich machte mir ernsthafte Sorgen am kommenden Morgen, zu verschlafen, wurde ich doch bereits um fünf Uhr von einem Geländewagen abgeholt, der mich ins Gebiet der Kuna Yala Indianer zu den San Blas Inseln bringen sollte. Dabei war ich mehr als müde, am Nachmittag hatte ich James Huntley auf dem Balkon meiner Unterkunft in Panama City kennen gelernt. Der Kanadier hatte auf mich zunächst einen recht schüchternem Eindruck gemacht. Spätestens jedoch als ich ihm und Kirsten, seiner jungen Begleiterin, geholfen hatte, die unglaublich schweren Rucksäcke der beiden von ihrem Hostel in ein Hotel zu tragen, wusste ich, dass dem nicht so war. Wir hatten davor in einer Bar einige Biere und ein paar Tequilas zusammen getrunken und waren schon ordentlich in Schwung gekommen, als Huntley die Entscheidung traf, von dem vermufften Schlafsaal des Hostels in ein Hotel mit einem Einzelzimmer zu wechseln. Während wir die Umzugsaktion durchführten, hatte  Cooper John aus Alabama, den wir zuvor an der Bar kennen lernten, die Stellung an unserem Tisch halten müssen. ¨Guns and God¨ sind bekanntlich die beiden Leidenschaften eines typischen Südstaatlers, so dass wir ihm hatten vertrauen können. Die Latinokellnerinnen der Bar hingegen waren noch mehr verwirrt, als wir den Ort verlassen wollten. Aufgrund des regen Durchgangverkehrs verschiedener Freunde und Bekannter aus unseren Hotels hatten sie ohnehin schon den Überblick über die Geschehnisse an unserem Tisch verloren verloren gehabt. Das neue Hotel von Huntley war nur ein paar Meter von meinem Hotel entfernt gewesen, gleich um die Ecke, doch die Nachbarschaften in dem Stadtteil Casco Viejo konnten sich schlagartig verschlechtern und die neue Unterkunft, die eher einem Gefängnis als einem Hotel glich, lag in keiner guten Umgebung. Mir war beinahe ein Stein vom Herzen gefallen, als wir nach der Umzugsaktion wieder an unserem Tisch in der Bar Platz genommen hatten, alles noch da war und wir weiter trinken konnten. Kaum hatten wir uns gesetzt, begann James auf einmal, laut über das neue Hotel zu lästern und geriet dabei so außer sich, dass die ganze Umgebung auf uns aufmerksam wurde und die Passanten auf der Straße vor der Bar stehen blieben und sich zu uns umdrehten. Vermutlich hatte er zwischendurch irgendwo Kokain konsumiert, was es in dieser Stadt an jeder Ecke zu kaufen gab. Am Nachbartisch hatten sich inzwischen drei bildhübsche junge Damen aus Caracas in weißen Kleidern und mit goldenem Kopfschmuck eingefunden, als wären wir im alten Ägypten und nicht in Panama gewesen. Der Kanadier hatte nun zusammen mit Cooper  immer schneller angefangen zu trinken und in immer kürzeren Abständen Tequilas bestellt, bis beide schließlich völlig durchgedreht sind und an unserem Tisch ein solches Geschrei veranstalteten, dass selbst die laute Musik aus den Boxen der Bar noch übertönt wurde. Die Venezolanerinnen hatten sich inzwischen zu uns gesellt und es gelang, sich in mehreren Sprachen zu unterhalten. Ich wäre gerne noch länger geblieben, verließ aufgrund meines früh morgendlichen Termins jedoch so gegen Mitternacht die Partygesellschaft und hatte dabei eigentlich gehofft, nach einigen Dosen Bier und mehreren Tequilas gut schlafen zu können.

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Panama Viejo

Entsprechend erstaunt über meine Fitness war ich daher, als um kurz vor fünf Uhr der Wecker klingelte. Nachdem der Bass um zwei Uhr abgestellt wurde, hatte ich doch noch für eine Weile geschlafen. Die freigesetzte Energie aufgrund der anstehenden Fahrt zu den Inseln dominierte mein körperliches Befinden an diesem Morgen und linderte die Nachwehen von der Party und der ungemütlichen Nacht. Ich machte mich schnell fertig und stürmte mit meinem Rollkoffer die Treppen zum Eingang meiner Unterkunft hinauf, wo mich zu meinem Schrecken ein Polizist mit der Hand am Halfter empfing, der so aussah, als wäre er bereit loszuschießen. Ich hatte vergessen, dass das Hotel aufgrund der hohen Kriminalität, die uns in diesem Stadtteil umgab, bewacht wurde und den Sicherheitsbeamten wohl aus seinem Halbschlaf gerissen. Nachdem der Vorfall geklärt war, saß ich noch ein paar Minuten mit einer Gruppe von anderen Gästen des Hotels, die ebenfalls auf dem Sprung waren, auf der Straße und unterhielt mich über die nächsten Reiseziele, ehe der Geländewagen angerauscht kam und es in Richtung Karibik los gehen konnte. Nach gut vier Stunden durch ungängiges Gelände und einer Überfahrt mit einem Holzboot, das ich durchnässt wie ein begossener Pudel verließ, war ich endlich auf der Insel El Porvenir angekommen, die meine Ausgangsstation für die weiteren Aktivitäten vor Ort bilden sollte.

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Kunas

Ich hatte ein Paradies vorgefunden vergleichbar mit wenigem, was ich auf bisherigen Reisen gesehen habe. El Porvenir war mit einer Größe von etwa 200 mal 300 Metern und seinen gut zehn Einwohnern die größte Insel der Umgebung. Hier waren neben dem kleinen Hotel, in dem ich wohnte, vor allem viele gut gelaunte Gäste und einige Schiffbrüchige anwesend. Meine erste Bekanntschaft machte ich mit einem Käpt´n aus South Dakota, dessen Katamaran vor der Insel ankerte. Er hatte einige Tage frei, da sich seine Kundschaft in Panama City aufhielt, die er dazu nutze auf El Porvenir Dosenbier zu trinken. Wir saßen auf den Plastikstühlen des Hotels und unterhielten uns über das Seegeln. Während wir dabei hinaus aus auf das Meer blickten, schwamm plötzlich ein in kleines Boot heran, das der Käpt´n sofort als ein den Landgänger einer Yacht identifizierte und zu unserer Überraschung stiegen zwei junge Frauen aus, wovon eine recht ansehnlich war. Danach wurde jede Menge Gepäck an den Strand geworfen, worauf hin das Boot wieder abfuhr und auf dem Meer verschwand. So spät hätten wir hier niemanden mehr erwartet, es war schon kurz vor der Dämmerung und alle regulären Transportmittel fuhren seit Stunden nicht mehr. ¨Man hat uns von Bord geschmissen¨, teilte uns Fizz mit, als wir nach einer halben Stunde zu den Damen gegangen waren, nachdem diese zu unserer Verwunderung nicht wie die anderen Gäste sonst üblicherweise an der Rezeption eingecheckten.

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San Blas 1

Es muss sich um einen Brasilianer handeln, der da so grimmig dreinschaut und in seinen Computer hinein tippt, dachte ich, als ich an diesem wunderschönen Morgen mit einer Tasse Kaffee und zwei Rühreiern auf der hölzernen Terrasse des Hotels saß und frühstückte. Heute schaute er noch etwas grimmiger drein als sonst, denn die beiden gestrandeten jungen Frauen, Nina und Fizz, hatten am Abend zuvor ihr Gepäck bei ihm im Zimmer deponiert. Erst hatte er hierzu eingewilligt, als er aber sah, in welchem Ausmaß sich seine Unterkunft dadurch verkleinerte, war ihm das alles nicht mehr recht, doch für einen Rückzieher war es zu spät gewesen. Neben zwei Rucksäcken handelte es sich um mehrere Taschen, dazu eine große Anzahl an Plastiktüten, Surfboards, Wasserkanister und schließlich war da noch eine besonders schwere Tasche mit Nahrungsmitteln. Letztere war mit allerlei Unbrauchbarem gefüllt, etwa mit Balsamico Essig, Knoblauch, Knäckebrot, Milch, Äpfeln, Honig und so weiter, so dass ich lauthals lachen musste, als ich den Inhalt zum ersten Mal sah. Die beiden gestrandeten waren noch nicht auf der Insel zurück, als ich mich nach dem Frühstück auf einen Bootstrip zu den umliegenden Inseln auf machte. Sie hatten am Vorabend das Glück gehabt, auf dem Boot des Käpt´ns übernachten zu dürfen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ihre finanziellen Mittel äußerst bescheiden waren. Eigentlich waren sie unentgeltlich eine Woche lang auf einem Katamaran als Koch- und Putzhilfen unterwegs gewesen, doch als der Eigentümer des Bootes kurzfristig Kundschaft bekam, hatten sie von Bord müssen. Als ich zurück war und wir am Abend alle zusammen saßen, rätselten wir, wie es nun weiter gehen sollte. Der Kunde unseres Käpt´ns war zurück, somit eine weitere Nacht auf dem Boot nicht möglich und das Hotelpersonal hatte die Übernachtung in meinem Zimmer abgelehnt. Zuvor hatten die Beiden zwar beteuert, am Strand schlafen zu können, doch nach dem es eine halbe Stunde lang heftig regnete schien diese Option vom Tisch zu sein. Schließlich half das panamaische Militär, das El Porvenir einige Stunden zuvor bis an die Zähne bewaffnet betreten hatte, um von hier aus einen Schlag gegen kolumbianische Drogenschmuggler zu starten, die entlang der Inseln ihr Unwesen trieben. Es wurde eine Palmblatt-Hütte auf der anderen Seite der Insel gut 200 Meter vom Hotel entfernt angeboten, die zumindest Schutz gegen den Regen bieten konnte.

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San Blas 2

Aufgelöst erzählte mir Fizz, als ich am nächsten Morgen in einer Hängematte des Hotels am Strand hin und her baumelte, dass die Soldaten am Abend zuvor auf ihr Schiff zurückgekehrten wären und ein Kuna Yala Indianer, sie von der Hütte vertrieben hätte. Aus lauter Angst wären sie an den nördlichen Teil der Insel gerannt, um hier gezwungener Maßen eine sehr kalte und unangenehme Nacht zu verbringen. Ich musste lachen, die Insel war etwa 200 mal 300 Meter groß, hätte der Indianer wirklich Böses im Schilde geführt, wären die beiden nie entkommen. Der gerade angebrochene Tag sollte unbeschwert verlaufen, ich war zusammen mit den beiden Damen und einigen anderen Personen auf einer gerade zehn Mal zwanzig Meter großen Trauminsel zum Schwimmen und Schnorcheln. Als wir am Abend zurück kehrten saß eine große Gruppe von Skippern, die vor der Insel Anker gelegt hatten und bereits stark angetrunken waren, an den Tischen des Hotels und unterhielten sich lauthals. Mit Witz und mit Charme vermochten es die beiden schließlich, einen der Yachtbesitzer dazu zu überreden, sie an Bord zu nehmen. Auch die Soldaten waren wieder da, so dass die beiden Glücklichen nun eine 3-Liter Rumflasche, die sie aus einem ihrer Taschen heraus zogen, spendierten und nach einigen Stunden lallend und sturzbetrunken zusammen mit ihrem Gepäck auf die Yacht gebracht wurden. Ich selbst machte mich am kommenden Morgen zurück nach Panama City auf, wo ich erneut zufällig auf Huntley traf, der eigentlich schon über alle Berge sein sollte, aber bedauerlicherweise sein Schiff nach Cartagena in Kolumbien verpasst hatte. Wir zogen bis gegen drei Uhr morgens von Bar zu Bar und ich war ziemlich am Boden, als ich am kommenden Tag im Bus saß, der mich rechtzeitig zum Heiligen Abend nach Costa Rica bringen sollte.

Reiseberichte:

Travel Report 24/1: Bei den Kuna Yala Indianern
Travel Report 24/2: Wild West Gefühle
Travel Report 24/3: Die Überfahrt
Travel Report 24/4: In El Salvador

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