Trave Report 16/1: Ausversehen in Äthiopien

2012, Frankfurt/Addis Abeba: Ungläubig schaute ich am Check-In Schalter von Ethiopean Airlines die Dame an, die mir gerade den Zutritt zu dem Flugzeug verweigert hatte. Ich stand abflugbereit am Frankfurter Flughafen und war wie vor den Kopf gestoßen, als sie mit strenger Stimme auf mein fehlendes Visum für Malawi verwies. Zum ersten Mal hatte ich mich nicht mit sämtlichen Formalien vertraut gemachte und war nun ahnungslos, wie es weiter gehen sollte. Als österreichischer Staatsbürger gehörte ich einem der wenigen europäischen Ländern an, für das seitens der malawischen Regierung ein Visum verlangt wurde, was ich mir nur aufgrund eines diplomatischen Vorfalls zwischen den beiden Ländern erklären konnte. Ungeachtet meines Versäumnisses, war ich aber auch sehr wütend auf die unflexible Dame am Schalter, da ich der festen Überzeugung war, vor Ort am Flughafen in Lilongwe alles regeln zu können. Immerhin rangierte Malawi mit einem Bruttoinlandsprodukt von etwas über 200 Dollar pro Person auf der untersten Skala der ärmsten Länder der Welt und irgendwie würde man schon reinkommen, so meine Ansicht. Aber ich konnte leider nichts zu machen, die Dame von der Fluggesellschaft ließ nicht mit sich reden und trotzt aller Argumente und Beteuerungen gelang es mir nicht, sie umzustimmen. Noch ärgerlicher war es, dass auch mein Vorschlag, bei dem Zwischenstopp in Addis Abeba aus dem Flugzeug auszusteigen, mit Verweis auf internationale Regularien abgelehnt wurde. Sie bat mich allen Ernstes, wieder nach Hause zu fahren und in der kommenden Woche das Weitere mit dem Büro der Fluglinie in Frankfurt zu klären. Daran wollte ich überhaupt nicht denken und rannte so schnell wie es mein Gepäck zuließ zum Ticketschalter der Lufthansa, die ebenfalls wie Ethiopiean Airlines ein Partner der Star Alliance war. Nervös und aufgeregt bat ich um ein Ticket zur sofortigen Ausstellung nach Addis Abeba. Es musste viel telefoniert werden, ob das erlaubt und möglich sei. Schlussendlich wurde mein Wunsch erfüllt und mit einem breiten Grinsen kam ich wieder bei der Dame am Schalter an, gab mein Gepäck auf und nahm anschließend im Flugzeug denselben Sitzplatz ein, auf dem ich auch schon mit dem ursprünglichen Ticket eingecheckt hatte.

Erst als das Flugzeug in die Luft gestiegen war, kam ich langsam wieder zur Besinnung. Nun stellte sich die Frage, was ich in Äthiopien wollte. Eigentlich sollte die ursprüngliche Reiseroute von Malawi über Tansania weiter nach Kenia und von dort nach Uganda führen. Erst am Ende der Reise war noch eine abschließende Woche in Äthiopien geplant gewesen und jetzt war ich schon am Anfang dort. Nach den Problemen am Flughafen und der Entscheidung, unter allen Umständen los zu fliegen, überlegte ich mir nun, die letzte Woche vor zu ziehen und die Reiseroute auf den Kopf zu stellen. Die Sache hatte allerdings einen Haken. Ich hatte für Anfang Januar 2013 einen privaten Safari Tour Guide für die Serengeti gebucht und musste zu diesem Zeitpunkt unbedingt in Arusha am Kilimandscharo sein, was mich zeitlich unflexibel machte. Trotz aller Überlegungen, gelang es mir nicht, eine adäquate Lösung zu finden. So nahm ich mir vor, gleich am ersten Tag in Addis Abeba die Weiterreise nach Tansania zu organisieren und die Zeit des eingesparten Aufenthalts in Malawi zu nutzen, um mich für einige Tage auf Sansibar auszuruhen, ehe die Safari in Angriff genommen werden musste.

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Addis Abeba

Ungeduldig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her und beobachtete, wie der Angestellte von Ethiopean Airlines wiederkehrend diverse Eingaben in die Tastatur seines Computers eintippte und anschließend jeweils für geraume Zeit bedächtig auf den Bildschirm blickte. Dabei hatte ich ganz vergessen, dass es mein erster Tag auf dem afrikanischen Kontinent war, ein Ereignis, was man hätte feiern müssen. Stattdessen saß ich jetzt in diesem tristen Büro, mitten im Zentrum von Addis Abeba und musste hoffen, die Reise würde finanziell nicht aus dem Ruder laufen. Am Tag zuvor war ich abends in der Hauptstadt Äthiopiens angekommen und gleich nach Verlassen des Flughafens in einem vier Sterne Hotel untergekommen, welches bei genauerer Betrachtung nicht einmal zwei Sterne wert war. Der Abend hatte sich sehr langweilig gestaltet, die Hotelbar war gänzlich ohne Gäste gewesen und die Umgebung des Hotels hatte nichts reizvolles zu bieten gehabt, so dass ich früh zu Bett gegangen war und am heutigen Morgen gleich als erster das Büro der Fluggesellschaft aufsuchen konnte. Nach einer halben Ewigkeit blickte der Agent endlich von seinem Computer auf und verkündete mir die wenig erfreuliche Erkenntnis seiner Recherchen, wonach auch mein Rückflug inzwischen verfallen war. Als Begründung hörten meine ungläubigen Ohren, ich hätte den Hinflug nicht offiziell angetreten und ich wusste, die Airline verstieß mit dieser Entscheidung gegen geltendes Recht. Mir wurde zwar angeboten, gegen eine Gebühr von 100 Euro, den ursprünglichen Flug zurückerstattet zu bekommen, womit ich allerdings überhaupt nicht einverstanden war und ich beschloss daher, den Sachverhalt zurück in Deutschland einer Klärung zuzuführen. Nach längeren Diskussionen mit dem Angestellten der Airline war ich zunehmend genervt, zog verärgert meine Kreditkarte und buchte einen neuen Rückflug und danach auch gleich ein Ticket zum Weiterflug nach Daressalam für den folgenden Tag.

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Addis Abeba

Zurück im Hotel, wollte ich meinem ersten Tag in Afrika noch etwas Versöhnliches abgewinnen und ich hoffte, es wären Leute an der Bar, doch wie schon am Vortag herrschte gähnende Leere. Dafür wimmelten gut zehn Hotelangestellte umher, als wäre die Einrichtung bis zum letzten Tisch mit Gästen überlaufen. Ich setzte mich an ein Fenster, bestellte mir einen Cocktail und schaute auf die Straßen der Stadt hinab. Auf sie hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt nur einige Blicke aus dem Taxi heraus werfen können und dabei äußerst befremdliches gesehen. An jeder Ecke standen oder lagen verlumpte Männer herum und träumten vor sich in den Tag hinein. Keiner davon schien einer sinnvollen Beschäftigung nach zu gehen oder über irgendeine Zukunftsperspektive zu verfügen. Es gab von ihnen so viele, dass sich einmal mehr die Frage nach der Sinnhaftigkeit unkontrollierter menschlicher Reproduktion stellte, wie sie von den Sektierern der katholischen Kirche stets gefordert wurde. Die ersten Stunden in Addis Abeba waren wahrlich keine schönen gewesen, nicht nur wegen den Eindrücken aus dem Taxi. Nachdem ich das Büro der Fluggesellschaft verlassen hatte, geriet ich an eine Gruppe von Fliegenfängern und Belästigern, die mich zu einer traditionellen äthiopischen Nacht eingeladen hatten. Ich erkannte gleich den Trick dahinter, mit dem nur das Ziel verfolgt wurde, mich in einem Hinterhalt mit K.o. Tropfen auszuschalten und anschließend auszurauben. Die Männergruppe war arg wütend geworden, als ich, selbst noch verärgert von den Problemen mit dem Flugticket, ihr Angebot mit Hinweis auf ihr eigentliches Ansinnen barsch abgelehnt hatte. Nur mit viel Mühe war es mir anschließend geglückt, wohlbehalten in das Taxi zu kommen. Kaum war das zweite Glas an der Bar bestellt, fingen die Angestellten des Hotels an, mich zu belagern und trugen mir mit bittenden Blicken und in breiten Ausführungen ihre Nöte vor. Ich meinte, in einem vier Sterne Hotel untergekommen zu sein, so zumindest wurde es auf dem Internet-Portal angegeben, bei dem ich gebucht hatte und auch der Preis ließ nicht vermuten, dass es sich um eine Einrichtung handeln würde, in der die Gäste vom Personal angebettelt werden. Hatte man hier kein Einsehen, dass in den letzten Stunden mehr Geld für Flugbuchungen ausgeben musste, als ein durchschnittlicher Äthiopier in fünf Jahren nicht verdient?

Reiseberichte:

Travel Report 16/1: Ausversehen in Äthiopien
Travel Report 16/2: Verbrannt
Travel Report 16/3: Zwischen Meru und Kilimanjaro
Travel Report 16/4: Am Viktoriasee
Travel Report 16/5: Am Blauen Nil

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