Travel Report 23/3: Industrieruinen und Klöster

2014, Yerevan: Mein Ärger über die unsägliche Fahrweise des Minibusfahrers von Tiflis nach Yerewan in Armenien wich schnell der Faszination des ehemalige Kupferbergwerk in Alaverdi, das nun nach gut drei Stunden Fahrt zu unserer Rechten lag und an dem wir nach einer wilden Raserei über die Berge zuvor jetzt langsam vorbeifuhren. Ein riesiger, halb zerfallener Komplex, der einen morbiden Charme längst vergangener kommunistischer Planwirtschaft ausstrahlte. Armenien war mit Sicherheit der ärmste Staat der drei postsowjetischen Republiken im Kaukasus und hatte auch touristisch nicht sehr viel mehr als ein paar Klöster zu bieten. Ich kam trotzdem hierher, um ein paar Tage in Yerewan zu verbringen und von dort aus einige Ausflüge in die Umgebung zu unternehmen. Die Pläne, in das besetzte Berg Karabach zu fahren, hatte ich aus zeitlichen Gründen inzwischen verworfen, was ich nach meiner Ankunft in Yerewan aber sehr bedauerte als ich erfuhr, wie einfach man in dieses Gebiet von der armenischen Hauptstadt aus kommen konnte. Der ganze Kaukasus war ja seit Jahrhunderten ein ethnischer Flickenteppich, der durch willkürliche Grenzziehungen, zaristischer Okkupation, stalinistischer Um- und poststalinistischer Rücksiedlungsprogramme die Kulturen und Religionen verwürfelt und dadurch ein erhebliches ethnisches Konfliktpotenzial heraufbeschworen hatte. Armenien war gleich von mehreren Seiten betroffen, einerseits war das bereits erwähnte Berg Karabach noch immer umkämpft, andererseits gehörte eigentlich auch Naxcivan auf der westlichen Seite, das man Aserbaidschan zugesprochen hatte, ursprünglich zu Armenien. Am schlimmsten aber war wohl, dass die Türkei den Berg Ararat gestohlen hatte.

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Alaverdi Kupfermine (Quelle: Wikipedia)

Als ich in Yerewan ankam, war ich erstaunt, wie attraktiv die Innenstadt war. Ich setzte mich gleich nach der Ankunft in ein Café, das sehr westlich anmutete und ruhte mich bei einer Cola von der sechs stündigen Fahrt aus, die es von Tiflis aus hierher gedauert hatte. Als ich die vorbei ziehenden Menschen beobachtete, fiel mir auf, dass ich wahrscheinlich geglaubt hätte, in einem europäischen Land zu sein, hätte ich nicht gewusst, dass der Iran nur etwa 300 Kilometer südlich lag. Die Orientierung in der Stadt war einfach, die Ringstraßen gingen um die Oper herum und waren mit horizontalen und vertikalen Diagonalen verbunden. Es dauerte nicht lange, bis ich nach der Pause meine Unterkunft fand, ein einfaches Hostel im fünften Stock eines sehr prunkvollen Gebäudes von wo aus man Ausblick auf den Berg Ararat haben sollte. Dort wurde mir allerdings mitgeteilt, der Strom in meinem Zimmer wäre ausgefallen und man würde mir alternativ in einer anderen Unterkunft eine Übernachtungsmöglichkeit anbieten, einem zweiten Hostel, das dem gleichen Besitzer gehören und nur einige hundert Meter entfernt liegen würde. Obwohl man mir ein Taxi anbot, ärgerte ich mich über den Vorgang, vermutlich war man einfach überbucht, schließlich hatte ich so etwas bereits in St. Lucia und der Mongolei erlebt. Ich konnte mich über die alternative Unterkunft zwar nicht beschweren, das Zimmer war auf drei Sterne Niveau, ein Garten war direkt an dem Hostel angeschlossen und alles war sehr sauber, doch der Ärger wollte nicht weichen. Des Abends, als ich auf einem Internet-Portal von ähnlichen Geschichten anderer Gäste des Hostels las, sah ich mich bestätigt und gezwungen, meinerseits einen kritischen Artikel über den Vorgang zu verfassen und im Internet publik zu machen.

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Kloster Mönche

Der folgende Tag gestaltete sich eher langweilig, ich besuchte das Kloster Echmiadzin wo viele andächtig voranschreitende schwarze Gestalten in tiefer Religiosität ihr tägliches Dasein fristeten. Hierbei sollte es sich um den Vatikan der Apostolischen Kirche handeln, doch von dem römischen Prunk war weit und breit nichts zu sehen. Auf dem Rückweg kam ich bei der Zvardnots Kathedrale vorbei, ebenfalls ein eher armseliger Ort, der zwar schon knappe 1.400 Jahre alt war, doch keinerlei aufregendes bot. Schlussendlich besuchte ich noch den alten Garni Tempel, ein Relikt römischer Zeit, das aus einem Kreis von Steinbögen mit gut zwanzig Metern Durchmesser bestand durch die ich mehrfach hin und her lief, die aber ebenfalls kaum mein Interesse wecken konnte. Am Abend war ich froh, wieder zurück in Yerewan zu sein und im Paulaner Weißbiergarten, der aussah wie eine Münchner Kopie, mir ein wohlbekanntes heimisches Getränk zu genehmigen. Etwas aufregender gestaltete sich der spätere Verlauf des Abends, an dem ich die unendlich vielen Stufen zum „50th Anniversary of Soviet Armenia Monument“ hinauf lief, wo die jährlichen Erinnerungsfeiern an den Genozit aus dem Jahre 1915 zelebriert wurden und ich die Umrisse des Ararats in der Ferne bestaunen konnte. Aus meinem Vorhaben, ein grandioses Bild des berühmten Berges zu machen wurde an diesem Abend und auch an den anderen Tagen meines Aufenthalts zu meiner Endtäuschung nichts, obwohl ich es mehrfach versuchte, das Wetter war einfach zu diesig.

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Lake Sevan

Die organisierten Reisegruppe, mit der ich am zweiten Tag meines Aufenthalts in Armenien zum Svaneti See fuhr, damit ich die dort befindlichen Klöster besichtigen konnte, war eine bunt zusammen gewürfelte Truppe aus Libanesen, Türken, Japanern, Russen und Armeniern. Die junge Reiseführerin erläuterte uns die Sehenswürdigkeiten auf der Fahrt und redete dabei in einem Stakkatoenglisch, das nicht einmal der Brite und seine Frau neben mir im Bus verstanden hat. Als wir in der Nähe des Sees in ein Restaurant gebracht wurden, gab es gleich den ersten Krach, weil das Wasser abgestellt war und ein türkischer Tourist unserer Reisegruppe sich nach der Toilette nicht die Hände waschen konnte. Aufgebracht brüllte er das gesamte Restaurant zusammen, bis zwei Kellner mit einer Flasche herbei eilten und Wasser über seine Hände schütteten, dabei auch das Hemd erwischten und damit ein noch größeres Geschrei herauf beschworen. Als endlich die Mahlzeiten kamen, saß die gesamte Reisegruppe peinlich berührt da und man aß ohne ein Wort zu reden. Mit betretenen Minen fuhren wir danach in dem Minivan weiter und wir kamen bald bei den Klöstern an. Den nächsten Kracht gab es auf der Rückfahrt. Ein Ehepaar unserer Gruppe war der Meinung, dass nicht alle zugesagten Sehenswürdigkeiten besichtigt worden waren und es kam beinahe zu einem Handgemenge mit der Reiseleiterin. Ich war froh, als ich danach wieder in Yerewan war und schwor davon ab, noch einmal mit einer Reisegruppe durch die Lande zu ziehen. Am kommenden Tag besuchte ich einige Sehenswürdigkeiten in der direkten Umgebung der armenischen Hauptstadt. Richtig interessant war nichts davon, so dass ich mich nach nur drei Tagen entschloss, wieder zurück nach Georgien zu reisen, um noch einige Tage in Batumi am Schwarzen Meer zu verbringen, ehe die Iran und Kaukausus Reise mit einem mehrstündigen Zwischenstopp in Lettland und einem Abstecher nach Riga beendet wurde.

Reiseberichte:

Travel Report 23/1: Die Grenze vom Iran nach Aserbaidschan
Travel Report 23/2: Im wilden Kaukasus
Travel Report 23/3: Industrieruinen und Klöster

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