Travel Report 9/1: In Siam

1999, Thailand: Ich war sehr erstaunt, als ich in Bangkok aus der Ankunftshalle des Flughafen heraus trat und vor mir den Zug sah, der mich in die Stadt bringen sollte. Die Waggons waren sauber herausgeputzt, technisch auf bestem Niveau und hinterließen einen weitaus moderneren und gepflegteren Eindruck, als man es vielfach von den schäbigen Regionalbahnen zu Hause gewohnt war. Zwei Jahre nach meiner Indien Reise (Travel 7), war ich wieder nach Asien gekommen und bereits im Vorfeld äußerst gespannt gewesen, auf welchem Entwicklungsstand sich Thailand befinden würde. In Indien hatte ich nach meiner Ankunft in Delhi mit einem halb auseinander gefallenen Klapperbus vorlieb nehmen müssen, der dort als einziges öffentliches Transportmittel vom Flughafen in die Stadt zur Verfügung stand (Travel Report 7/1). Ungleich fortschrittlicher musste Thailand sein, wenn man die beiden Transportmittel verglich. Ob mir das wirklich recht war, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht so genau. Ich wollte hier Abenteuer erleben und war eigentlich der Ansicht, das wäre eher in unterentwickelten Ländern möglich. Acht Wochen hatte ich nun Zeit, mir die siamesische Halbinsel anzusehen und es war gut möglich, neben Thailand auch noch Laos, Burma oder Kambodscha zu besuchen. Einen genauen Reiseplan hatte ich noch nicht ausgearbeitet, aber es gab genug Zeit, die Reise in Ruhe anzugehen.

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Bankok

Etwa zwei Stunden nach meiner Ankunft am Flughafen, war ich in der Nähe der bekannten, von Backpackern überfluteten Khaosan Road im Zentrum der Stadt angekommen und hatte ein schönes Hotel gefunden. Es war inzwischen etwa elf Uhr am Vormittag und ich legte mich erschöpft von den Strapazen der Anreise, die mit dem Flugzeug über Rom und Kuwait geführt hatte, auf das Bett. Eigentlich wolle ich mich nur etwas ausruhen, es dauerte aber nicht lange, bis ich eingeschlafen war. Die Temperatur hatte zu diesem Zeitpunkt schon die Marke von 30 Grad im Schatten überschritten, was sich komisch anfühlte, denn ich war stark an Grippe erkrankt, ein Zustand, den ich bisher nur in winterlicher Atmosphäre und bei kalten Wetterbedingungen kannte. Begonnen hatte die Krankheit am Tag meiner Abreise aus Deutschland, als sich zuerst Kopfweh und dann starke Halsschmerzen bemerkbar machten. In der Nacht davor war ich mit einigen Kollegen von meiner Universität bis in die frühen Morgenstunden durch die Stadt gezogen. Nun, als ich im Auto zum Flughafen saß, machten sich die Nachwehen der durchzechten Nacht bemerkbar. Bei der Zwischenlandung in Rom hatte ich bemerkt, wie sich mein Zustand noch einmal deutlich verschlechterte und als es mir im Verlauf des langen Fluges in der kühlen und windigen Kabine immer miserabler ging, wurde mir klar, dass ich vollkommen krank geworden war. Zum Zeitpunkt meiner Ankunft in Bangkok musste ich mich schließlich über ein Fieber von mehr als 39 Grad beklagen, welches von einem heftigen Keuchhusten begleitet war. Vermutlich hatte ich mich vor der Abreise übernommen, als ich im schneebedeckten Stuttgart meinte, die Nacht vor dem Abflug des langen Trips mit meinen Studienkollegen durchfeiern zu müssen.

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Thailand

Am kommenden Morgen erwachte ich lange vor Sonnenaufgang und ging bald auf die Straße, um mir irgendwo in der Umgebung einen Kaffee zu besorgen. Ich hatte den ersten Tag in Bangkok weitgehend durchgeschlafen und war am Abend zuvor nur kurz in einer Bar gewesen, in der ich nicht allzu viel Alkohol konsumiert hatte, nur ein paar Drinks, damit ich die Nacht gut durchschlafen konnte. Zwar war ich jetzt nicht mehr sonderlich müde, aber krank war ich noch immer und ich überlegte mir, wie lange sich dieser Zustand hier in den Tropen wohl halten würde, als ich in düsteren Umrissen plötzlich Achim Fritz mit seiner Freundin auf mich zukommen sah. Ein alter Kumpel aus einem der Dörfer im Bottwartal, einer Gegend, in der ich meine Jugend verbracht hatte. Er rieb sich ebenso verwundert die Augen, wie ich, was für ein außergewöhnlicher Zufall sich hier zutrug. Wir kannten uns schließlich ziemlich gut, wussten jetzt aber natürlich nichts davon, gleichzeitig um fünf Uhr am Morgen in einer Seitenstraße in Bangkok unterwegs zu sein. Die Freude war groß über die unverhoffte Begegnung und wir verabredeten uns für den Abend vor meinem Hotel, um diesen Zufall gebührend zu feiern. Ich verbrachte anschließend den Tag sonnenbadend im Park vor dem „Großen Palast“ im Zentrum der Stadt und hoffte so, durch besonders viel Strahlung und Wärme schnell wieder zu gesunden. Doch als Fritz und seine Freundin zum Einbruch der Dämmerung vor meinem Hotel erschienen und auf mich warteten, hatte sich mein Zustand noch nicht merklich verbessert. Die beiden waren inzwischen ebenfalls in einem Hotel untergekommen und verfügten dort über eine Terrasse, auf der wir unsere Begegnung später am Abend mit einigen Flaschen Chang Bier begossen. Besonders lustig an dem thailändischen Bier fanden wir die nur kurz aufschäumende Krone, die sich sogleich wieder verflüchtigte, was uns dazu veranlasste, das Gebräu aufgrund solch außergewöhnlicher Eigenschaften als Chemiebier zu bezeichnen. Nach nur drei Flaschen war Schluss, das Bier schien wirklich aus wenig bekömmlichen Zutaten hergestellt gewesen zu sein. Daheim die doppelte Menge gewohnt, war ich hier jetzt schon betrunken und verließ fluchtartig die Wohnung der beiden, als mein Kumpel mit einem großen Schwall Erbrochenes sich von der Terrasse auf den darunter befindlichen Balkon erleichterte, auf dem einige Engländer Karten spielten.

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In Ayutthaya

Am kommenden Tag war mein Zustand noch immer nicht besser, nur hatte sich inzwischen ein herber Sonnenbrand dazu gesellt, so dass ich mich fiebrig erhitzt fühlte. Ich wollte mir davon die Stimmung nicht verderben lassen und unternahm einen Ausflug nach Ayutthaya zu den Ruinen des Wat Mahathat. Es war ein interessanter Abstecher in eine vergangene Tempelwelt und auch die übrigen Kurztrips, die ich in den folgenden Tagen unternahm, waren durchweg empfehlenswert. Thailand gefiel mir immer besser und als sich mein Zustand nach gut fünf Tagen gebessert hatte, beschloss ich in den Norden zur reisen. Die Fahrt nach Chiang Mai in einem komfortablen Bus, der voller Rucksacktouristen war, dauerte gut einen Tag. Der dortige Aufenthalt war von zwei nennenswerten Ereignissen geprägt. Zum einen unternahm ich eine mehrtägige Wanderung durch die Teakwood-Wälder an der burmesischen Grenze, die mich an abgelegenen Dörfern vorbeiführte, in denen die Einwohner noch daran glaubten, dass die Flussgeister im Nebel der Nacht und im Tau und der frühen Morgenstunden über das Wasser heranschleichen würden. Wunderliche Dinge unternahmen sie zur Abwehr dieser Gefahr in Form von Zeichen und zur Schau gestellter Puppen. Am Rande eines dieser Dörfer übernachtete ich in einer auf Stelzen erhöhten Bambushütte, in welcher sich ihr alte Besitzer jeden Abend an seinem Opiumpfeifchen ergötzte. Zu der Wanderung gehörte auch ein Ausritt mit Elefanten über die nördlichen Ausläufer des Doi Suthep-Pui Gebietes, eine besondere Attraktion, da wir uns in einer absonderlich schönen Landschaft befanden. Der zweite Ausflug ging nach Burma, was zur damaligen Zeit von einem verbrecherischen Militärregime regiert wurde, welches das Land in Myanmar umbenannt hatte und es den Touristen nicht einfach machte, einzureisen. Trotzdem gelang es mir, ein drei tägiges Visum genehmigt zu bekommen, so dass ich mich ausführlich in der Stadt Tachileik umsehen konnte. Das Wohlstandsgefälle war sofort auf der Grenzbrücke zwischen den beiden Ländern spürbar, Burma war weitaus unterentwickelter als sein südlicher Nachbar. Nach gut zwei Wochen, in denen ich mich in Thailands Norden befunden hatte, begab ich mich mit einem Bus nach Chiang Rai, der Prostituierten-Hochburg des Landes, in der sich unzählige männliche Touristen aus China vergnügten. Von hier aus war das Tor zur Weiterreise nach Laos geöffnet (Travel Report 9/2 und 9/3).

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Luang Prabang

Nach gut zwei Wochen in Laos und einem weiteren Zwischenstopp in Bangkok, machte ich mich auf den Weg zu meinem letzten Ziel der Reise hinunter in die südliche Inselwelt nach Koh Phangan. Die bekanntere Nachbarinsel Koh Samui sei schon zu überlaufen, war mir zugetragen worden und außerdem gäbe es auf Koh Phangan ausufernde Full Moon Partys. Natürlich wollte ich an diesen teilnehmen, erinnerten mich solche Ereignisse doch auf positive Art und Weise an meine Zeit in Indien zwei Jahre zuvor (Travel Report 7/3 und 7/5). Die Fahrt mit dem Bus in den Süden war beschwerlich und dauerte beinahe einen Tag, die Überfahrt zu den Inseln mit der Fähre entschädigte für die Strapazen und war ein heiterer Spaß. Auf Deck unterhielt eine gesang- und trinkfreudige Truppe aus Australien die Passagiere und unter Deck gab es eine gut bestückte Bar mit Cocktails aller Geschmacksrichtungen. Endlich in Koh Phangan angekommen, wo ich eine Woche verbringen sollte, gelang es mir, direkt am Strand eine Bambushütte anzumieten. Es handelte sich hierbei eigentlich um eine Traumunterkunft, wären da nicht die Erinnerungen an den Leguan gewesen, der mir im Norden Thailands solch einen Schrecken eingejagt hatte (Travel Report 9/2), so dass ich jetzt sehr skeptisch gegenüber nicht vollständig abgedichteten Unterkünften war. Zu den Full Moon Partys, die am anderen Ende der Insel durchgeführt wurden, kam ich nicht. Zu groß war der Aufwand dort hin zu fahren. Zu unangenehm die Vorstellungen von dort, vermutlich in eingetrübtem Zustand wieder zurück zu kommen. Zu viel Stress nach zwei Monaten auf der indochinesischen Halbinsel. So verbrachte ich die meiste Zeit mit meinem chinesischen Nachbarn aus der Hütte neben an, der etwa so alt wie ich war. Bei unseren abendlichen Unterhaltungen wurde ich über die Vorzüge des politischen Systems in China aufgeklärt und auch über den Zukunftsoptimismus, der in dem Land vorherrschen würde. Es war ein feiner Kerl, nur bei den Mahlzeiten musste ich mich zurückhalten, wenn er sich die Häppchen mit seinen zwei mit Stäbchen bestückten Händen wie ein Rotor unter heftigem schlürfen und schmatzen zu Munde führte. Er hingegen, so glaube ich, dachte etwas Ähnliches von mir, der ich gänzlich ohne diese Manieren am Tisch auskam. Auch beherrschte ich zu diesem Zeitpunkt die Kunst des Stäbchenessens noch nicht und es sollte noch gut zwei Jahre dauern, ehe ich selbst eine Erbsenmahlzeit anhand von dieser Technik zu mir nehmen konnte.

Reiseberichte:

Travel Report 9/1: In Siam
Travel Report 9/2: Zwischen Ratten und Amphibien
Travel Report 9/3: Bus Chaos in Laos

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