Travel Report 24/4: In El Salvador

Der Rückflug von den Corn Islands (Travel Report 24/3) in einer kleinen Cessna war phänomenal gewesen. Zunächst überquerten wir die Karibik, anschließend den Urwald Nicaraguas und zuletzt die Vulkane in der Umgebung von Managua. Für mich galt es jetzt, vorsichtiger zu werden, denn ich war nun in einem Gebiet Latein Amerikas angekommen, das nicht gerade für seine Sicherheit bekannt ist. Von verschiedenen Reisenden, die ich im beschaulichen Granada (Travel Report 24/2) traf, hatte ich gehört, dass es sich bei der Hauptstadt Nicaraguas um eine verlumpte, verarmte und hässliche Stadt handelte, die ich erst gar nicht sehen wollte. Ich hatte daher ein fünf Sterne Hotel in unmittelbarer Nähe des Flughafens gebucht, in dem ich mir den Abend nach der Ankunft von den Corn Islands und dem Abflug nach El Salvador mit ein paar Cocktails am Swimming Pool vertrieb. Ich hatte lange gehadert, ob ich von Managua mit dem Bus nach San Salvador fahren sollte, was eigentlich geboten war, da ein Überflug aus meiner Sicht stets die schlechteste Alternative aller Fortbewegungsmöglichkeiten darstellte. Aufgrund des organisatorischen Aufwands, der knappen Zeit und der vielen Sicherheitswarnungen für Honduras und El Salvador hatte ich jedoch davon abgesehen. Dabei war ich bereits zehn Jahre zuvor in Honduras gewesen und es hatte mir dort sehr gefallen (Travel Report 11/2). In der Luxusherberge unmittelbar am Flughafen von Managua lud ich an diesem Abend bezüglich der unsicheren Lage der beiden Länder noch ein Bild mit gefangenen Pandilleros in das Internet. Die Geschichte und Gegebenheiten der Mara Banden faszinierten mich ziemlich, auch wenn ich diesen nicht begegnen wollte, war es doch eine Geschichte von Perspektivlosigkeit, Kriminalität und Gewalt. Im Wesentlichen gab es zwei konkurrierende Banden, die Mara Salvatrucha und die 18th Street Gang.  Beide Gangs entstanden in den 60er bis 80er Jahren in Los Angeles, als viele Lateinamerikaner aus den Bürgerkriegen in die Vereinigten Staaten flohen und sich dort zunächst als Verteidigungsverbünde und anschließend als kriminelle Organisationen formierten. Als die USA diese Personengruppe wieder zurück in die Heimatländer schickte, lebte das Bandenwesen in Zentralamerika weiter. Bereits einige Jahre zuvor, als ich in Guatemala war, bekam ich die Kriminalität in der bitter armen Stadt Guatemala City zu spüren, wenn ich damals auch selbst nicht direkt eine unmittelbare Bedrohung erleben musste (Travel Report 11/1).

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Anflug El Salvador

Während sich das Flugzeug auf dem Landeanflug nach San Salvador befand und ich unter mir etliche große Villen direkt am Strand vorbeiziehen sah, ließ ich mir noch einmal alle Geschichten von El Salvador durch den Kopf gehen, die ich auf meiner bisherigen Reise zu Ohren bekam. Ich hatte aus allen Informationskanälen bisher nur schlechtes von dem Land gehört. James Huntley, der Kanadier (Travel Report 24/1), lag aufgrund einer Verwechslung dort vor mehreren Polizisten auf dem Boden und blickte in die feuerbereiten Lunten Maschinengewehre von den Sicherheitsbeamten. Ein Freund von Nina (Travel Report 24/1) musste den Überfall  einer Mara Bande auf sein Hotel erleben, bei dem die Gäste mit verschränkten Armen auf dem Bauch lagen und ausgeraubt wurden. Als ein Tourist vom Flughafen aus nach San Salvador fuhr und aufgrund eines Plattens einen Reifenwechsel vornehmen musste, sei er innerhalb von zehn Minuten drei Mal überfallen worden, schrieb das britische Foreign Ministry und die USA hatte gerade eine Reisewarnung für das Land ausgesprochen. Das Auswärtige Amt war sich bei seinen Warnhinweisen nicht sicher, ob das Busfahren oder das Taxifahren gefährlicher wäre, was mich ziemlich verunsicherte, auch wenn ich sonst den Deutschen aufgrund ihrer Übertreibungen was die Sicherheitslage in solchen Ländern anbetraf, wenig Glauben schenkte. Daneben hatten viele Personen die Augenbrauen hochgezogen, als ich erzählte nach El Salvador reisen zu wollen, selbst ein Taxifahrer in Nicaragua riet mir ab, das Land zu besuchen. Beeinflusst mit so vielen negativen Warnhinweisen und Informationen buchte ich vorsichtshalber ein Zimmer im Hilton Princess Royal in der noblen Zona Rosa.

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San Salvador 1

Drei Tage später, als ich mich wieder am Flughafen von San Salvador befand und auf meine Abreise nach Atlanta wartete, hatte ich feststellen müssen, dass ich ganz entgegen meinen Erwartungen in El Salvador ein Land vor vorgefunden hatte, indem es zumindest im Umkreis der Hauptstadt San Salvador so aussah, als wäre ich in einem der südwestlichen US-Bundessaaten, zum Beispiel in Arizona gewesen. Ich hatte es nicht geschafft, einen der Vulkane in dem Land zu besteigen oder einen Strand zu besuchen, da ich mich ausschließlich in der Hauptstadt aufhielt, was mich in diesem Moment, als ich in der Abflughalle saß, besonders ärgerte. Viel hatte ich von den touristischen Möglichkeiten in El Salvador gelesen, doch nichts unternommen, obwohl ich inzwischen zu der Einschätzung gelangt war, dass die ganzen Warnungen und bösen Geschichten alles nur Übertreibungen waren. Ja, es gab hier viele  Sicherheitskräfte, die die Läden und Restaurants bewachten, aber sie hatten mir nicht den Eindruck vermittelt, als würden sie jeden Moment mit einem Überfall rechnen und in den verhältnismäßig modernen Supermärkten lag die Ware in den Regalen, als wären Raub und Diebstahl unbekannt. Inzwischen schien mir da das benachbarte Guatemala, in dem ich einige Jahre zuvor war, eine Nummer krimineller gewesen zu sein. Dort wurde den Kunden beim Einkauf die Ware durch eine kleine Lucke ansonsten vergitterter Fenster hindurch gereicht. In Guatemala hatten die privaten Sicherheitsleute auch Maschinengewehre und nicht nur Pump Guns, wie hier in El Salvador. Schnell wurde mir klar, dass meine teuren Sicherheitsvorkehrungen angesichts der aktuellen Lage in diesem Land ein Witz waren und ich sicherlich ohne größere Problem hier auch hätte mit lokalen Transportmitteln anstelle der privaten Taxis eines Sicherheitsdienstes des Hotels reisen können. Eins war klar, ich hatte etwas verpasst, nämlich die Besichtigung eines wunderschönen Landes an der pazifischen Küste in Zentralamerika. So verkam mein Aufenthalt in El Salvador zu einer reinen Farce, die sich in einem Fünf Sterne Hotel zwischen Bar, Restaurant und Swimmingpool abgespielt hatte. Es war das 95. Land, das ich besuchte und in dem ich mir wie ein unerfahrener Anfänger vorkam, der von den übertriebenen und vor allen Dingen undifferenzierten Warnhinweisen der Botschaften und der Reisenden aufs Kreuz gelegt geworden war.

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San Salvador 2

Einen Tag später saß ich im Zentrum Atlantas in einem herunter gekommenen Zimmer eines Motels, in dem ich auf die Rückreise nach Europa wartete. Hier war mir für die Zukunft klar geworden, entweder ein Land mit allen seinen Tücken und Gefahren zu besuchen oder es gleich ganz bleiben zu lassen. Das Wetter hier in den Südstaaten war an diesem Januarabend ziemlich kalt und trübe, Minuten zuvor war ich in einem Supermarkt gewesen und hatte mich mit Essen und Bier eingedeckt. Überall in der Gegen lungerten dunkle Gestalten mit Kapuzenpullover herum, die mir deutlich mehr Unbehagen bescherten, als es die Gegebenheiten in dem sonnigen El Salvador zugetragen hatten. Ich war am kommenden Tag schließlich recht glücklich, die Stadt zu verlassen, hatte ich hier doch einen langweiligen Aufenthalt von achtzehn Stunden durchleben müssen. Die Great Smoky Mountains lagen gut 200 Kilometer nördlich von Atlanta, ich besuchte sie nicht, obwohl ich mir vor der Reise fest vorgenommen hatte, dort mit einem Mietwagen hin zu fahren. Die Vorstellung auf Reisen, immer weiter zu müssen, um jeden Winkel der Erde zu besuchen und nichts zu verpassen, entpuppte sich hier einmal mehr als eine Illusion, die mangels ihrer Realisierbarkeit zum Scheitern verurteilt war.

Reiseberichte:

Travel Report 24/1: Bei den Kuna Yala Indianern
Travel Report 24/2: Wild West Gefühle
Travel Report 24/3: Die Überfahrt
Travel Report 24/4: In El Salvador

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