Travel Report 24/3: Die Überfahrt

Mit einem Muskelkater, der meinen gesamten Körper beeinträchtigte, saß ich einige Tage nach meinem Aufenthalt in Granada zusammen mit zwei Österreichern, die ich am  Flughafen von Big Corn Island kennen gelernt hatte, an dem Pier dieser kleinen Insel und wartete auf das Boot, welches uns nach Little Corn Island bringen sollte. In Grenada hatte es unzählige Freizeitaktivitäten gegeben, wovon mir der Ausflug zu der Laguna de Apoyo, einem Kratersee am besten gefallen hatte. Dort konnte ich in einer idyllischen Umgebung in Mitten des Sees zum ersten Mal das Kajakfahren erproben und wähnte mich danach gewappnet für einen halbtägigen Ausflug. So kam auch mein Muskelkater zu Stande, ich war am Vortag mehrere Stunden durch das Archipel der Isletas gepaddelt, einer Landschaft aus kleinen Inseln, die von einem Vulkanausbruch hervor gebracht worden war und hatte mich dabei gehörig übernommen. Mit großem Einsatz musste ich am Ende des Ausflugs kämpfen, um überhaupt wieder an Land zu kommen, fünf Stunden war ohne ausreichend Übung einfach zu viel gewesen. Dabei schien das Kajakfahren wenig mit Kraft zu tun zu haben, sondern vielmehr mit Technik, über die ich leider nicht verfügte. Der schmächtige Tourguide war schließlich die ganze Zeit locker vor mir her gepaddelt und sah am Ende nicht sehr angestrengt aus. Aufgrund des Muskelkaters fiel mir auch das Einpacken meiner Kamera und der anderen elektronischen Gegenstände in die Plastiktüten nicht so leicht, es musste aber sein, denn es stand eine nasse Überfahrt bevor.

DSC08586 (Copy)

Es beginnt

Little Corn Island lag zwölf Kilometer von Big Corn entfernt und aus verschiedenen Erzählungen, Büchern und eigener Erfahrung wusste ich, dass der Wellengang bei solch einer Distanz in der Karibik recht hoch sein konnte. Gegen halb zehn Uhr kam die Panga an, mit der wir übersetzen sollten und um zehn war sie dermaßen beladen, als man sich auf einem Schlepperboot afrikanischer Flüchtlinge nach Europa wähnen hätte können. Was dann folgte spottet jeder Erzählung, kaum hatten wir den Hafen verlassen, schon drehte der Kapitän die Geschwindigkeit auf volle Leistung hoch und wir schossen über die Wellen wobei das Boot im Sekundentakt auf dem Meer aufschlug und große Mengen an Wasser hereinspritzten. Dem einen oder anderen war es wohl schon mulmig zumute, als wir so entlang der Küste von Big Corn dahin rauschten, doch einigen jungen Damen an Bord schien die Fahrt noch helle Freude zu bereiten, wie man dem lauten Gelächter und den Jubelschreien entnehmen konnte. Als wir in die offene See einbogen und die Wellen mehrere Meter hoch wurden, verstummte das Gelächter und Betroffenheit trat an seine Stelle, bis einige Minuten Später Panik und Angst die Stimmung an Bord übernahmen. Die Wellen mussten inzwischen gut fünf Meter hoch gewesen sein und die Panga rauschte im Minutentakt auf sie hinauf und fiel dann mit lauten Schlägen wieder auf das Wasser hinab, so dass ich mich nur mit großer Mühe an einem der Querbalken halten konnte. Die Damen weinten inzwischen und eine davon zeigte dem Kapitän den Stinkefinger, der unbeirrt breitbeinig in seinem gelben Overall hinter dem Steuer stand und das Boot auf Höchstgeschwindigkeitskurs hielt, während sein Adjudant lauthals lachend auf dem Bug balancierte und sich dabei an einem Seil festhielt. Die drei Italiener in der ersten Reihe vor mir, wo die Turbulenzen am meisten zu spüren waren, knieten inzwischen in der Hocke neben einander und versenkten den Kopf in Richtung Boden sich mit verschränkten Armen schützend. In hohem Bogen spritzte das Erbrochene eines Passagiers zwei Reihen hinter mir auf die dahinter sitzenden Passagiere, worauf gleich danach eine ordentliche Wasserladung, die in das Boot herein gespült wurde, wieder für Sauberkeit sorgte. Als wir in der Nähe der Zielinsel endlich in ruhigere Wasser kamen, sah ich eine der jungen Damen bluten, die sich wohl einen Zahn oder die Nase aufgeschlagen hatte, alle waren froh als wir nach dem Höllentrip endlich Little Corn Island sehen konnten und die Fahrt sich dem Ende neigte. Zur Erholung von dem Schrecken setzte ich mich mit den Österreichern und einem Deutschen Reiseleiter, den wir vor der Abfahrt noch an Bord kennen gelernt hatten, in die nächst verfügbare Kneipe, wo wir noch etwas schwach um die Knie und leicht gebleicht uns ein Bier genehmigten, ehe unser Gepäck mit einer Schubkarre auf die andere Seite der Insel gebracht wurde und wir die kleinen angemieteten Strandhütten beziehen konnten.

DSC08640 (Copy)

Der Rondon

Little Corn Island war mit seinen 500 Einwohnern etwa einen Kilometer lang und einen halben Kilometer breit. Auf der westlichen und der nördlichen Seite der Insel waren vier oder fünf Unterkünfte für Touristen angesiedelt, während sich auf der östlichen Seite der Pier und einige Cafés befanden. Trotz der geringen Anzahl an Einwohnern warnten verschiedene Stellen eindringlich vor Überfällen und Diebstählen, die hier angeblich regelmäßig zu beklagen waren und auch im Internet kursierten Geschichten von Macheten schwingenden Räubern, die mehrfach schon den Reisenden das Geld abgenommen hatten. Ich war sehr verwundert über diesen Sachverhalt, konnte man doch mit etwas Geschäftssinn auch auf andere Art und Weise zu Geld kommen. Mir fiel zum Beispiel gleich auf, dass niemand Kaffee ausschenkte, als die erste Panga um sechs Uhr morgens nach Big Corn abfuhr und ich war mir sicher,  dreißig bis vierzig Passagiere hätten gerne einen Kaffee getrunken. Unvorstellbar wäre es bei den fleißigen Asiaten gewesen, sich solch ein Geschäft entgehen zu lassen, doch auf die Idee hier mit einer Thermoskanne die Reisenden zu versorgen ist keiner auf der Insel gekommen. Meinen Berechnungen zu Folge wäre ein Verdienst von gut 500 Dollar im Monat möglich gewesen, was für hiesige Verhältnisse einen nicht unbeträchtlichen Betrag darstellte. Doch die Inselbewohner, die nicht vom Tourismus profitierten und  den gesamten Tag über kaum etwas zu tun hatten, schienen lieber in großer Armut in einem Örtchen namens Carib Town zu leben und sich Nachts mit der Machete auf die Lauer zu legen, um die Gäste zu überfallen. Neuerdings hatte man eine Touristen-Polizei bestückt mit Amtsträgern vom Festland installiert, die für Ruhe sorgen sollte. Die dominierende Person der Insel, die etwas Ordnung und Professionalität an diesen paradiesischen Flecken der Erde brachte, war ein Amerikaner namens Tranquillo-John, der mit seiner kleinen Tranquillo Bar, das beliebteste Café auf Little Corn betrieb und sehr bemüht um die Organisation der touristischen Abläufe war. Daneben gab es eine Handvoll von Strandcafés und Restaurants, die im Wesentlichen Lobster, Conch (Riesenmuschel), Fisch und Meeresfrüchte anboten. Das bekannteste Gericht der Insel war der Rundown, hier als Rondon bezeichnet, der seinen Namen der Müdigkeit zu verdanken hatte, die einen nach dem Verzehr überfallen sollte. Es handelte sich dabeo um einen Eintopf aus Langusten, Fisch und verschiedenen Gemüsearten. Auf Little Corn wurde nicht Spanisch, sondern Carib Englisch gesprochen und auch geschrieben, so dass die Laundry zur Londre und das Horse Rinding zum Hares Riding wurde. Am ersten Tag hatte ich die Insel bereits erkundet und hing die übrigen Tage meistens nur am Strand ab, um die Abende mit den Österreichern und Thore, dem deutschen Reiseleiter, sowie mit einigen Flaschen Rum zu verbringen. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich hier auch die ¨Argentinian Style Reisenden¨, die sich mit dem Verkauf eigens hergestellter Schmuckwaren, Ketten und Armbänder über Wasser hielten und sich ansonsten durchschnorrten, wie mich Thore aufklärte. Am letzten Abend auf der Insel saß ich alleine am Strand, der Reiseleiter und die beiden Österreicher waren an Fieber erkrankt und hatten Magenprobleme. Ich hoffte, dass es sich dabei nicht um das schlimme Chikungunya handelte, das sich seit einem Jahr in Lateinamerika rasend schnell verbreitete und neben Gliederschmerzen auch zu Hirnblutungen mit Todesfolge führen konnte.

DSC08617 (Copy)

Little Corn

Während die beiden österreichischen Kollegen krankheitsbedingt auf der Insel bleiben mussten, war Thore am folgenden Tag glücklicherweise wieder gesund und konnte zusammen mit mir die Rückreise nach Big Corn antreten. Wir waren um viertel vor sechs die ersten Passagiere, die an der Pier auf die Panga warteten, das Meer war spiegelglatt und kaum ein Windhauch wehte. Es bestand die Hoffnung, dass sich die Überfahrt dieses Mal etwas weniger turbulent gestalten würde. Gegen halb sieben waren gut fünfzehn Passagiere vor Ort, von einer Panga aber weit und breit nichts zu sehen. Gut eine halbe Stunde später erschien ein klein gewachsener Kerl mit der Nachricht, dass heute kein Schiff übersetzten würde und die Hafenpolizei sämtliche Häfen Nicaraguas an der Karibikküste aufgrund einer aufziehenden Sturmfront geschlossen hätte. Die Nachricht traf uns wie ein Blitz, so dass wir das Ganze zunächst für einen üblen Scherz hielten. Wir glaubten vielmehr, aufgrund des geringen Passagieraufkommens hätte der Kapitän keine Lust auf die Überfahrt. Wir mussten aber dringend nach Big Corn, da von dort aus das Flugzeug gegen ein Uhr in Richtung Managua abflog und wir jeweils am folgenden Tag einen Weiterflug gebucht hatten, in meinem Falle nach El Salvador. Die Touristen-Polizei hatte sich inzwischen aus dem Staub gemacht, vermutlich um dem Ärger mit den Touristen aus dem Weg zu gehen, schließlich war das Meer ruhig wie seit Tagen nicht mehr und die rote Warnstufe aus unserer Sicht ein Witz. Als die ersten Passagiere den Pier verließen, machten auch wir uns auf, um bei dem Betreiber unseres Stammcafés, der Sun Shak Bar, Erkundigungen über die Sachlage und die aktuelle Situation einzuholen. Der dicke schwarze Koch der Bar erzählte uns dieselbe Geschichte, was unsere Beunruhigung noch erhöhte und als uns der italienische Besitzer der Desideri Bar, der uns aufgrund seiner europäischen Wurzeln besonders vertrauenswürdig vorkam, schließlich noch mitteilte, dass die Sperre für mehrere Tage ausgesprochen geworden sei, wurde uns langsam klar, hier entweder fest zu sitzen oder uns schleunigst nach einem Fischer umzusehen, der uns auf die Nachbarinsel bringen würde. Nach einigen Bemühungen gelang es uns, eine Gruppe von Männern ausfindig zu machen, die um ein Boot herum saßen. Wir trugen unser Anliegen vor und nach kurzer Beratung wurde uns Hilfe versprochen, sollten wir bereit sein, 200 Dollar für die Überfahrt zu bezahlen. Man müsste nur noch das Boot säubern und Treibstoff organisieren. Wir warteten und warteten und nach einer halben Stunde wurde uns versichert, es würde nur noch wenige Minuten dauern. Wir warteten weiter und bemerkten, wie wir plötzlich alleine am Strand saßen. Die Gruppe der Fischer hatte sich aufgelöst und war in alle Richtungen verschwunden. Ich stellte mich innerlich jetzt auf ein paar zusätzliche Tage auf der kleinen Insel ein und verfluchte dabei die Unzuverlässigkeit der Leute hier. Lächelnd erklärte mir der Betreiber eines Tauch- und Surf Shops neben dem Pier, dass die Fischer wohl kalte Füße bekommen hätten, müssten sie doch 1.000 Dollar Strafe zahlen, wenn sie Touristen bei einer roten Warnstufe  transportieren würden. Daneben sei die Hafenpolizei auf Big Corn momentan sehr Aufmerksam, erst vor einigen Tagen war wohl ein kleines Boot mit Touristen spurlos verschwunden und bis heute nicht mehr aufgetaucht. Ich saß mit Thore, der in Panama wohnte und am übernächsten Tag eine Reisegruppe durch Zentralamerika führen musste, an der Pier unter einem Baum und hatte schon fast aufgegeben, als unverhoffter Weiße ein kleines Boot am Strand anlegte und uns hereinbat. Die Zeit war schon sehr knapp geworden und inzwischen war es bereits elf Uhr. Nach einer ruhigen Überfahrt mit einem lebensfrohen und lustigen Fischer, wurden wir an einem Strand auf Big Corn an Land gelassen und atmeten erst einmal durch.

DSC08673 (Copy)

Big Corn Airport

Der Flughafen von Big Corn war nur etwa so groß, wie ein kleines Einfamilienhaus. Uns knurrte der Magen, hatten wir doch den gesamten Tag bisher nichts gegessen. Die Sicherheitsbeamten vor dem Terminal hatten uns versichert, dass wir im Flughafen etwas zu Essen kaufen konnten. Jetzt, eine halbe Stunde vor Abflug war in dem kleinen Kiosk aber noch immer niemand anwesend. Thore fluchte, denn wann außer in diesem Moment sollte der Kiosk überhaupt offen haben, schließlich frequentierten den Flughafen nur zwei oder drei Flugzeuge am Tag. Ich wunderte mich ohnehin, über die wenigen Personen in dem kleinen Wartesaal. Neben uns zählte ich nur sechs weitere Passagiere und grübelte wie groß das Flugzeug wohl sein würde. Als der Kiosk endlich geöffnet war, bestellten fast alle der Fluggäste ein Käse Schinken Sandwich bei der jungen Dame und ich dazu noch einen Kaffee, der schon fertig gebrüht war. Zunächst aber wurden die Sandwiches gemacht und das mit einer unglaublich langsamen Geschwindigkeit, wobei jede Bewegung, jeder Handgriff dem Zeitlupenmodus meiner Kamera bei Filmaufnahmen gleichte. Als die Sandwiches endlich fertig waren und ich meinen Kaffee bekam, blieb freilich nicht mehr genug Zeit, diesen auch zu trinken, denn schon war die Maschine gelandet und wir wurden eilig nach draußen gerufen. Es wartete zu meiner großen Freude eine zwölf sitzige Cessna Caravan auf uns, von der aus man aufgrund ihrer geringen Flughöhe bestens Fotografien konnte. Ich erlebte einen traumhaften Flug über das Meer, den Urwald und schließlich die Vulkanlandschaft in der Mitte des Landes.

Reiseberichte:

Travel Report 24/1: Bei den Kuna Yala Indianern
Travel Report 24/2: Wild West Gefühle
Travel Report 24/3: Die Überfahrt
Travel Report 24/4: In El Salvador

Zurück zur Themenseite „Travel 24 Central America (2014)“ 

Travel Report 24/2: Wild West Gefühle

DSC08545 (Copy)

Blick auf die Laguna

Ich stand im Gedränge der Reisenden an der Grenze zwischen Nicaragua und Costa Rica und freute mich, dass alles so schnell und problemlos abgelaufen war. Dabei hatte ich zunächst die größten Bedenken gehabt, als ich an Vormittag mit einem lokalen Bus von den Nebelwäldern in Monteverde/Costa Rica an die Panamericana hinunter fuhr, um dort den einzigen verfügbaren Überlandbus an diesem Tag abzufangen. Mein Ziel war es, rechtzeitig zur Silvesterparty in Granada/Nicaragua einzutreffen, um dort das neue Jahr zu feiern und nicht den Abend irgendwo in der Provinz verbringen zu müssen. Der zeitliche Abstand, an dem die beiden Busse an der  Kreuzung zwischen Monteverde und der Panamericana vorbei fahren sollten, betrug laut dem Agenten des Reisebüros, bei dem ich das Überlandticket gekauft hatte, zwanzig Minuten, wobei er mir versicherte, alles würde schon funktionieren. Ich traute ihm aber nicht über den Weg, hatte wenig Puffer und zuvor schon sehr schlechte Erfahrungen mit den lokalen Bussen in Costa Rica gemacht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich es eigentlich für unmöglich gehalten, dass es ein Land auf der Erde geben könnte, in dem es mit dem Bus noch langsamer als in Indien voran ging, wo man im Durchschnitt etwa zwanzig bis dreißig Kilometer pro Stunde zurücklegen konnte. Auf der Fahrt nach Monteverde wurde ich eines besseren belehrt, hier war der Bus am Ende nur noch circa zehn Kilometer pro Stunde schnell, so dass die gesamte Fahrt ab Quepos über acht Stunden für nur 190 Kilometer gedauert hatte. Schuld an dem Schneckentempo waren nicht die schlechten Straßen, sondern die Passagiere, die fortwährend ein- und ausgestiegen sind. Nördlich eines Bergdorfs namens Juantes schien dabei ein besonders faules Volk zu leben, das statt zu Fuß zu gehen lieber Stunden lange auf den Bus wartete, um dann meistens kaum mehr als 500 Meter weiter wieder auszusteigen. Deswegen quoll den meisten dort auch das Fett aus den Hüften, als wären sie in einer Großkantine für das Abräumen der Überreste zuständig gewesen. Außerdem schien jedermann zu jederzeit an jedem Ort über das Privileg zu verfügen, den Bus zum Stehen bringen zu dürfen und sei es nur ein Haus weiter, als der Nachbar, der gerade ausgestiegen war.

DSC08535 (Copy)

Granada

Gemäß dem Fahrplan hätte an diesem Vormittag der lokale Bus um acht Uhr und der Überlandbus um zwanzig nach acht an besagter Kreuzung ankommen sollen. Ich hatte großes Glück gehabt, der lokale Bus war sogar schneller und ich war schon um zehn vor acht an der Panamericana gestanden. Wie bitter diese paar Minuten auch notwendig waren, wurde nur fünf Minuten später offenbar, als der Überlandbus gut eine halbe Stunde früher als vorausgesagt angerauscht kam und mich mitgenommen hatte. Ich vermute, dass die meisten Kunden des Agenten ihren Bus verpassen würden und sich dann auf eigene Kosten mühsam Stück für Stück mit lokalen Bussen durchschlagen mussten. Von Costa Rica gibt es nicht viel zu erzählen, ich war froh in Nicaragua angekommen zu sein, ein typisches Staub und Knochen Land, bei dem das aus Kolumbien und Guatemala bereits wohlbekannte Wildwest-Gefühl, welches ich schon so lange vermisst hatte, zurück gekehrt war. Nach einigen lustlosen Handgriffen der Grenzbeamten in meinen Koffer und dem obligatorischen Einreisestempel, hatte ich die Grenze schnell passieren können. Das Armutsgefälle war sofort und in einem erheblichen Ausmaß zu spüren, hier wurden die Zigaretten wieder einzeln verkauft und unzählige Händler überfielen mich mit jeder Menge an Klein- und Kleinstwaren, darunter Cashew Nüsse, Kaugummis, Chiqulettes, Bonbons oder andere Nutzlosigkeiten. Die Cowboyhüte der Männer und die bunte Kleidung der Frauen, sowie die von Vulkanen und Viehherden dominierten Landschaft, rundeten das Bild ab. Mir war sofort klar, dass es hier Spaß machen wird. Selbstverständlich musste ich jetzt etwas vorsichtiger sein, schließlich war Nicaragua eines der ärmsten Länder der Welt, das mit einer hohen Kriminalitätsrate und mit jugendlichen Mara-Banden gestraft war. Doch das gehörte ebenso wie die bunten Häuser und die unzähligen Spielhallen zum Wildwest-Gefühl dazu und machte die Sache so spannend.

DSC08504 (Copy)

Laguna de Apoyo

Von der Grenze aus nach Granada, was meine erste Station Nicaragua sein sollte, war es nur ein Katzensprung und gut eine Stunde nach dem Grenzübertritt war ich schon in meiner Unterkunft angekommen. Im Oasis Backpackers, wie sich die Institution nannte, hatte ich ein Einzelzimmer direkt im Innenhof neben dem Swimmingpool des alten Kolonialbaus gebucht. Unzählige Reisende, meist in den Schlafsälen des Hostels untergebracht, waren anwesend und bereiteten sich auf die Silvesternacht vor. Nur einer nicht, ein Australier aus Sydney, der sich hier den Fuß gebrochen hatte und unter großen Schmerzen hier noch einige Tage wartend auf seine Heimreise ausharren musste. Gegen sieben Uhr am Abend gab es Tumult an der Rezeption, als eine junge Dame in großer Aufregung hereingestürmt kam und davon berichtete, auf der Straße mit einem Messer bedroht worden zu sein. Die Umgebung war demnach nicht ganz ungefährlich und ich ließ größte Vorsicht walten, als ich zu der Calle Calzada lief, wo die Einwohner der Stadt den Neujahrsabend feierten und ich in einem Restaurant auf dem Gehweg, eines der besten Steaks bisher auf der Reise essen konnte. Von dem Restaurant aus konnte ich die Feierlichkeiten bestens beobachten, tanzend zogen die Leute hinter einer Blaskapelle durch die Straßen und freuten sich auf das neue Jahr, inmitten ein junger Tourist, der sturzbetrunken in einem grünen Froschkostüm für Erheiterung sorgte. Der Lärmpegel meiner Umgebung steigerte sich mit fortschreitender Zeit zunehmend, gegen elf Uhr hätte man sich schon in einem Fußballstation wähnen können, bis sich die Atmosphäre um Mitternacht in einem Sturm der Freude entlud und unter lautem Böllerregen das neue Jahr begrüßt wurde, worauf sich die gesamte Straße in eine einzige Tanzfläche verwandelte.

Reiseberichte:

Travel Report 24/1: Bei den Kuna Yala Indianern
Travel Report 24/2: Wild West Gefühle
Travel Report 24/3: Die Überfahrt
Travel Report 24/4: In El Salvador

Zurück zur Themenseite „Travel 24 Central America (2014)“