Travel Report 3/2: Kontrolle in Trujillo

1995, Peru: Von der Luna Bar in La Paz hatte ich aufregendes gehört und wollte unbedingt dort einen Besuch abstatten, doch der Weg war noch weit und ob ich meine Reise würde fortführen können, stand in den Sternen, als mich die peruanische Polizei kurz nach der verdreckten und verstaubten Stadt Trujillo auf dem Weg nach Lima aus dem Bus heraus zur Wache führte. Die Wochen zuvor hatte ich mich in Quito und Banjos in Ecuador aufgehalten und dabei eine große Anzahl an Menschen aller Art kennengelernt. Neben Aussteigern und Lebemännern, Abenteurern und Vagabunden, gab es auch kulturell interessierte Personen, Bergsteiger und Naturliebhaber. Zudem hatte es auch das eine oder andere Pärchen aus Deutschland hierher verschlagen, das vermutlich dem Pauschaltourismus entfliehen wollte und nun nach kalkulierbaren Abenteuern suchte, sich aber nicht nach Kolumbien traute. Eins lernte ich bei den abendlichen Runden des Gedankenaustausches mit diesen Personen: Finger weg vom Weißwein in allen Ländern nördlich Chiles! In einer warmen, Mond beleuchteten Nacht in Quito, als ich mit anderen Reisenden zusammen im Innenhof eines alten spanischen Kolonialgebäudes saß, hatte ich nur eine Flasche getrunken, war von dem Zuckerwasser am kommenden Tag aber jämmerlich verkatert und fühlte mich bis in den späten Mittag hinein wie ein neunzigjähriger Mann im Stadium weit fortgeschrittener Gliederversteifung. Nach dem dies überstanden war, stellte sich als Höhepunkt des Aufenthaltes in Ecuador die Kriegsdeklaration an Peru dar, die aufgrund von Streitigkeiten um ein Stück Urwald, am Plaza Bolivar unter großem Menschenauflauf stattgefunden hatte. Aus diesem Anlass hatte sich auch die bisherige Fahrt in dem Bus nach Lima stark verzögert, da wir in kurzen Abständen immer wieder an Militärposten passieren mussten und dabei nicht selten durchsucht wurden.

Prinzipiell war ich reinen Gewissens, als ich die Polizeiwache betrat, doch man konnte nie wissen, in welchen Ärger man bei einer Kontrolle hineingezogen werden würde, gehörte die Polizei doch zu der Menschengruppe, gegenüber der ich in Südamerika am meisten Argwohn hegte. In Kolumbien war es immer das oberste Gebot gewesen, auf keinen Fall einen Gegenstand von jemandem auf der Straße in die Hand zu nehmen, zum Beispiel ein Souvenir. Die Gefahr war zu groß, dass es mit Rauschgift gefüllt war und der Anbieter mit der Polizei kollaborierte. Kaum hatte man es angefasst, so die Warnung, würde prompt die Verhaftung durch die auf der Lauer liegenden Ordnungshüter erfolgen, die in erpresserischer Absicht auf solche Situationen warteten. Es ging dabei um Lösegeld zur Vermeidung einer Gefängnisstrafe. Außerdem, so meine Befürchtung, hätte mir jemand auf der Reise etwas in meine Tasche legen können, die während der Fahrt auf dem Dach des Busses festgebunden war und schließlich konnten die Schurken von der Polizei mir auch selbst etwas in die Schuhe schieben. Ich wurde bis in den Allerwertesten hinein in einem Hinterzimmer der staubigen Polizeiwache durchleuchtet und durfte zu meiner große Erleichterung nach etwa einer halben Stunde wieder gehen. Mein Ansinnen mit der Luna Bar wollte ich mir nach dieser Erfahrung nun noch mal überlegen. Vielleicht waren die verführerischen Dinge, die es dort geben sollte, doch mit einer zu großen Gefahr behaftet.

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Im Hotel

Als ich mich wieder auf meinem Platz im Bus eingefunden hatte und dieser die Weiterfahrt antrat, begann meine Platznachbarin erneut wie ein Buch auf mich einzureden, ähnlich wie schon in den Stunden zuvor. Ich verstand kein Wort und antwortete vereinzelt mit „Si“ oder „No“, was sie geradezu animierte, immer weiter und weiter zu reden, so dass sich ein wahrer Wortschwall über mir ergoss. Ich muss die Si‘s und No‘s so gut eingestreut haben, dass sie optimal in ihren Redeschwall passten, erst als sie kurz vor dem Ende der Fahrt eine Frage stellte, die ich nicht mehr mit „Si“ oder „No“ beantworten konnte, kehrte endlich Ruhe ein. Nach ungefähr 24 Stunden und einer unangenehmen Nacht im Bus erreichten ich schließlich Lima. Ich war verstaubt und verschwitzt und wollte so schnell wie möglich in ein Hotel kommen. Kaum war ich aus dem Bus ausgestiegen, schon umschwärmten mich vier hübsche junge Damen, was mir in meinem Zustand ziemlich peinlich war. Sie trugen mir meine Tasche bis ins Hotel und wir verabredeten uns für den Abend. Die Frauen waren hier, wie ich feststellen musste, sehr nett und aufgeschlossen, durchwegs von Kolumbien bis Peru.

Um sechs Uhr abends wartete ich wie vereinbart vor dem Hotel, doch niemand ist erschienen. Unschlüssig, was jetzt zu tun war, kaufte ich einige Flaschen Bier, den Aquardiente (Travel 2) gab es außerhalb Kolumbiens leider nicht. Anschließend setzte ich mich auf die riesige Dachterrasse vor meinem Zimmer und hörte meine eigens für die Reise zusammengestellte Best-off Collection der Doors aus dem Kassettenrecorder an. Es vergingen gut zwei Stunden, ehe  aus der Ferne vertraute „Techno“ Musik zu hören war. Diesen Ort wollte ich finden, da ich dort eine ausgelassene Party vermutete und machte mich unvermittelt auf den Weg. Die Nacht endete im Chaos, plötzlich zog ich mit einem peruanischen Pärchen von Bar zu Bar und schmiss in angeheitertem Zustand eine Runde nach der anderen. Als es kurz vor sechs Uhr morgens war und ich wieder vor meinem Hotel stand, waren die beiden noch immer mit dabei und beschimpften mich wüst angesichts der Tatsache, dass ich für sie in dieser Nacht keine weitere Runden mehr spendieren würde. Mein Verhalten war eine große Nachlässigkeit und es war ein teurer Abend, der empfindlich in mein Reisebudget eingeschnitten hatte.

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Love Park Lima

Auf der Terrasse vor meinem Zimmer auf dem Dach des Hotels lernte ich zwei Tage später einen französischen Reisenden kennen. Großgewachsen, gut aussehend und mit blonden Haaren, kaum älter als ich, vielleicht zweiundzwanzig. Er schien aufgrund seines Aussehens das Böse, wie auch das Gute magisch an sich zu ziehen. Als wir am kommenden Tag eine Mädchenschule passierten an der gerade Pause war, fühlten wir uns wie Hollywood Stars auf dem roten Teppich, als der gesamte Schulhof voller uniformierter Schülerinnen an das Absperrgitter heran sprang, um uns beim Vorbeilaufen ausgelassen zu zuwinken. Einige Straßen weiter standen wir dann wie angewurzelt da und sahen schon das Unheil auf uns zukommen. Ein Passant hatte es auf die Armbanduhr meines französischen Kollegen abgesehen und obwohl wir es ahnten, konnten wir nicht reagieren. Wie in Zeitlupe schien der Dieb auf uns zu zukommen, riss die Uhr vom Arm meines Begleiters und lief langsam in die Menge hinein. Wir schauten ihm wie einbetonierte  Bronzestatuen nach und noch immer war keine Reaktion möglich. Da bemerkten wir zwei nobel gekleidete Männer hinter ihm. Sie packten den Dieb und schlugen ihn auf das schlimmste zusammen, noch auf ihn eintretend, als er schon zu Boden lag. Wir waren inzwischen wieder bewegungsfähig und baten alle zur Mäßigung, erhielten die Uhr zurück und ließen den Gauner laufen. Ich war anschließend froh, braungebrannt und mit schwarzen Haaren, einem Südländer zu gleichen, dafür aber auch das Böse wie das Gute weniger stark auf mich zu ziehen.

Reiseberichte:

Travel Report 3/1: In den Krieg
Travel Report 3/2: Kontrolle in Trujillo
Travel Report 3/3: Am Titicaca See
Travel Report 4/1: Durch die Klimazonen
Travel Report 4/2: Am Ende der Welt
Travel Report 4/3: Zu den Christen
Travel Report 5/1: Mode und Prostitution
Travel Report 5/2: Betrunken im Bus nach Belem
Travel Report 5/3: Am Amazonas
Travel Report 6/1: Durch den Urwald
Travel Report 6/2: In Gewahrsam

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