Travel Report 2/2: Ein paar Minuten in Cali

1994, Cali/Popayan: Nachdem ich mich einige Tage in Medellin aufgehalten hatte, was wie ich feststellen musste, eine wunderbare Stadt war, in der das gesamte Jahr über ein frühlinghaftes Klima vorherrschte, flog ich weiter in das südlich gelegene Cali. Von dieser Stadt wusste ich nicht viel, nur dass es hier eine weltbekannte Assoziation von Drogenhändlern  gab, die das „Cali-Kartell“ genannt wurden. Kaum hatte ich die Stadt vom Flughafen aus mit dem Taxi erreicht, waren Schüsse aus einem Laden etwa 100 Meter vor meinem Taxi zu hören. Kurz darauf sprangen zwei maskierte Männer auf die Straße und rauschen von einer Staubwolke umgeben auf dem Motorrad davon. Ich gab dem Taxifahrer zu verstehen, er solle mich sofort zum Bus-Terminal fahren, denn binnen weniger Minuten hatte ich erkannt, dass diese Stadt nichts ist für mich war und ich hier keine Minute länger bleiben wollte. Am Busterminal löste ich ein Ticket in das 150 Kilometer südlich gelegene Popayan, schließlich wusste ich aus dem Reiseführer, dass diese Stadt neben Cartagena der einzig wirklich sichere Ort Kolumbiens in der damaligen Zeit war.

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In Popayan

Als ich drei Stunden später in Popayan angekommen war, hatte es längst zu regnen angefangen. Es war „Semana Santa“ im Jahre 1994 und ich suchte mit zunehmender Verärgerung nach einer Übernachtungsmöglichkeit, aber alle Hotels und Unterkünfte schienen ausgebucht zu sein. Wie ich später erfuhr war Popayan schlechthin das Hauptreiseziel Kolumbiens in der Osterzeit, weil es hier die größte Osterprozession gab. Inzwischen zeitlos geworden, war mir die Heilige Woche, in der die vielen Kolumbianer hierher pilgerten, gar nicht bewusst gewesen. Nach langem Suchen bot mir eine Pension ein Zimmer an, das ich aber zunächst ablehnte. Zehn Dollar sollte ich für ein Holzbrett bezahlen, auf dem eine Decke lag. Eine Dusche gab es nicht und als einzige Waschmöglichkeit war außerhalb des Zimmers ein Wasserhahn angebracht, der etwa einen Meter über dem Boden aus der Wand ragte.  Nach zwei weiteren zermürbenden Stunden im Regen ohne Erfolgsaussichten auf eine Unterkunft, kehrte ich zu der Pension zurück und nahm das Zimmer, wobei der Preis inzwischen von zehn auf zwanzig Dollar angestiegen war.

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In San Augustin

Die folgenden Tage waren von einer äußerst positiven Atmosphäre geprägt. Zunächst hatte ich eine weitaus bessere Pension gefunden, in der mir zwei riesige zusammenhängende Zimmer vermietet wurden. Der Sohn des Eigentümers war genau auf meiner Wellenlänge, mit ihm und seinen Kumpels, die ein wenig Englisch sprechen konnten, trank ich Aqardiente und hörte laute Rockmusik. Die Stunde des „Aquardiente Antioqueno“ war geboren, das Getränk sollte von diesem Zeitpunkt an im weiteren Verlauf der Reise mein Favorit werden, wenn es um hochprozentiges ging. Es handelte sich dabei um einen Anisschnaps der mit einem Alkoholgehalt von gut dreißig Prozent unverdünnt bestens genießbar war. Die koloniale Architektur und die umliegenden Berge Popayans, in die ich mehrfach Ausflüge unternahm, faszinierten mich. Jeden Tag schien, von wenigen Regenschauern unterbrochen, die Sonne, so auch an dem Tag als ich die wieder Stadt verließ und nach San Augustin weiter reiste. Die Strecke dauerte einige Stunden mit dem Bus und führte über hochgelegene Nebelwälder. Das Auswärtige Amt hatte aufgrund von Guerillatruppen, die in diesem Gebiet ihr Unwesen treiben sollten, vor der Fahrt gewarnt. Guerilleros waren in der Tat nicht zu unterschätzen, schließlich stellte bei ihnen die Entführung von Touristen eine der Haupteinnahmequellen dar. Es gab drei unterschiedliche Arten über das Land verteilt. Zum einen rein politisch orientierte linksextreme Aktivisten, die lediglich Handzettel in den Bussen verteilten und diesen mit Parolen vollschmierten. Ihr Ansinnen war es, Kolumbien in eine kommunistisch marxistische Zukunft zu führen. Zweitens solche, die den Fahrer nebenbei noch um sein Geld erleichterten und drittens reine Banditen, die neben dem Busfahrer zudem die Reisenden um ihr Geld brachten. Meine Überfahrt verlief mit Ausnahme einer Reifenpanne des Busses allerdings ohne Probleme und die einzige Gefahr schien von den Geröllmassen auszugehen, die hier und dort von den steilen Hängen hinab rutschten.

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Der Archäologische Park

Das kleine Städtchen San Augustin lag in einer idyllischen Umgebung, begrenzt von weitläufigen, mit Hügeln gesäumten Landschaften und war für seine Fundstätten historischer Indio-Relikte berühmt. Kaum angekommen, freundete ich mich mit einer Gruppe von Neo-Hippies aus meiner Pension an, die in den umliegenden Hügeln allabendlich rauschende Partys veranstalteten. Ich pendelte zwischen den Feierlichkeiten der Party-Gesellschaft und zwischen einer Bar im Zentrum hin und her, in der mir allabendlich von den attraktiven heimischen jungen Damen eindeutige Angebote gemacht wurden. Spanisch lernen hieß dass dann verklausuliert, doch in echt ging es darum, sich einen Reisenden anzulachen, der mit finanzieller Unterstützung der Familie etwas unter die Arme griff. Die restlos überfüllten Busse, die vom Marktplatz aus in die Nachbarortschaften fuhren, nutzte ich für Ausflüge in die Umgebung, wo einem den Gerüchten nach angeblich innere Organe entfernt werden würden, sollte man dort in einer Bar ein mit Ko-Tropfen versetztes Getränk zu sich nehmen. Als ich nach mehreren Tagen keinen Gefallen mehr an San Augustin fand, machte ich mich mit dem Bus nach Bogota auf. Ich hatte ein Paket mit fünf Inlandsflügen gebucht, von denen ich erst einen aufgebraucht hatte und wollte nun in die Llanos fliegen, um mir dort die Gauchos mit ihren Rinderherden anzusehen.

Reiseberichte:

Travel Report 2/1: Anflug auf Medellin
Travel Report 2/2: Ein paar Minuten in Cali
Travel Report 2/3: Der Trip nach Leticia
Travel Report 2/4: Die Trickbetrüger
Travel Report 2/5: Bei den Strandparadiesen
Travel Report 2/6: Auf der Flucht

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