Travel Report 2/6: Auf der Flucht

1994, Santa Marta/Bogota: Es blieben nur noch wenige Tage nach meiner Rückkehr aus dem Park Tayrona (Travel Report 2/5), die ich in Santa Marta verbringen wollte, ehe ich von Bogota aus meinen Heimflug antreten musste. Zu den bunten Indianern in der Salzwüste würde ich es zeitlich nicht mehr schaffen, das war inzwischen klar geworden. Von den geplanten acht Wochen hatte das Geld schließlich nur für sechs ausgereicht, trotzdem war ich mit der Reise zufrieden. Das Hotel Miramar, in dem ich untergebracht war, lag direkt am Strand von Santa Marta. Ein altes spanisches Kolonialgebäude mit Innenhof, Bar und Restaurant, ziemlich einfach und glaubte man den Gerüchten, wurde einmal pro Monat der Hotelsafe ausgeraubt. Dafür konnte man für nur einen Dollar pro Nacht ein Zimmer buchen, ein unschlagbares Preis-Leistungsverhältnis, vorausgesetzt man war nicht besonders lärmempfindlich. Im Hotel regierte ein junges Partyvolk, die Musik dröhnte bis weit in die Nacht hinein und Bier und Aquardiente flossen in Strömen. Die „härtesten“ Gäste kamen aus der Schweiz und konnten sich den Heimflug nicht mehr leisten, da sie das ganze Geld hier im Hotel für Kokain verprasst hatten. In ständiger Bedrohung der einheimischen Konkurrenz versuchten sie sich mit selbstgemachten Kettchen und Ringen, die sie am Strand verkauften, über Wasser zu halten. Viele konsumierten härtere und weniger harte illegale Substanzen und jeden Abend tanzte man bis in die späte Nacht hinein. Tagsüber war ich mit einer Gruppe angehender Ärzte aus Deutschland des Öfteren in Taganga, einem kleinen Fischerdorf in der Nähe von Santa Marta, indem angeblich der beste Fisch aus der gesamten Umgebung serviert wurde.

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Hotel Miramar

Am vorletzten Abend vor meiner geplanten Abfahrt aus Santa Marta ließ ich mich dazu hin reisen, mit zwei deutschen Aussteigern eine Runde Pfennig-Skat zu spielen, dabei hatte ich mich bei der Höhe des Einsatzes vertan, denn eigentlich spielten wir um kolumbianische Pesos. Entgegen meiner Berechnung, es wäre umgerechnet nur ein halber Pfennig Einsatz erforderlich, ging es in Wirklichkeit um zwei Pfennige pro Punkt in jeder Runde. Ich bemerkte diesen Irrtum zunächst nicht und spielte munter eine Runde nach der anderen. Hatte ich zu Beginn noch gewonnen, so sah es immer schlechter um mein Glück aus. Im Nachgang wurde mir klar, dass die beiden gezielt gegen mich gespielt hatten. Eigentlich wollte ich schon aussteigen, doch dann stand aufgrund eines verlorenen Grand-Ouvert Spiels noch eine Runde Doppelbock mit anschließendem Ramsch an. Alle drei Bockspiele und auch die drei Ramsch-Runden verlor ich haushoch und war den Kollegen am Ende über 100 Dollar schuldig. Da ich schon wieder knapp bei Kasse war und nur noch über etwa 130 Dollar für die restlichen vier Tage verfügte, konnte ich unmöglich das Geld ausbezahlen und vertröstete die beiden auf den nächsten Tag, indem ich vorgab, mir erst bei einer Bank Geld besorgen zu müssen, was jedoch aufgrund fehlender Reisechecks (Travel Report 2/4) gar nicht möglich war. Die beiden wurden ziemlich böse und beruhigten sich erst wieder, als ich mit einem Bier für jeden von der Bar zurück an den Tisch kam.

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Auf dem Monseratte in Bogota

Am kommenden Morgen packte ich meine Sachen bereits um fünf Uhr und machte mich zur Busstation auf. Gott sei Dank, dachte ich, ist noch keiner wach. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als der Bus endlich nach Bogota aufbrach. Die Fahrt sollte etliche Stunden dauern und es regnete wie aus Eimern gegossen. Unfreiwillig bereits drei Tage vor meinem Heimflug zurück in Bogota, gestaltete sich die restliche Zeit ziemlich langweilig. Aber ich hatte die erste echte Bewährungsprobe als Reisender bestanden. Um mir die Zeit zu vertreiben schaute ich im Kino Pulp Fiction in Originalvertonung an und stattete dem Hausberg Bogotas, dem Monseratte einen weiteren Besuch ab. Auf der Fahrt an den Flughafen wunderte ich mich einmal mehr über das Chaos, das den Verkehr dominierte, daran konnte man sich wohl nicht so einfach gewöhnen.

Reiseberichte:

Travel Report 2/1: Anflug auf Medellin
Travel Report 2/2: Ein paar Minuten in Cali
Travel Report 2/3: Der Trip nach Leticia
Travel Report 2/4: Die Trickbetrüger
Travel Report 2/5: Bei den Strandparadiesen
Travel Report 2/6: Auf der Flucht

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