Travel Report 4/2: Am Ende der Welt

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Magellan Straße

1995, Puerto Montt/Feuerland: Als ich die Empfehlung aussprach, aufgrund der Körper zerstörenden Wirkung des Weins, selbigen nördlich von Chile besser nicht zu trinken, ahnte ich noch nicht, was in Puerto Montt mit mir geschehen würde. Eigentlich fand ich die Art und Weise, Wein aus einfach zu transportierenden Papierkartons zu trinken, eine recht angenehme Angelegenheit. Ich Chile war das, ebenso wie in Südafrika, ohnehin bei weitem nicht so verpönt wie bei uns in Deutschland. An diesem Abend hatte ich wohl ein Glas oder einen Karton zu viel konsumiert und das gesamte Bad einschließlich der Toilette in der Pension buchstäblich für andere Gäste unannehmbar gemacht. Unfähig alles wegzuwischen, durch meine Putzaktion wurde es noch schlimmer, legte ich mich zu Bett und schämte mich am nächsten Morgen abgrundtief. In den kommenden Tagen unternahm ich Ausflüge in die Umgebung, besuchte die Lachsmärkte und den Hafen der Stadt. So weit südlich war es natürlich längst nicht mehr so warm wie noch zu Beginn meiner Reise, doch das Klima war angenehm und die Landschaft war von einer prächtigen Natur geprägt. Vermutlich, so dachte ich, sieht es hier aus wie in Kanada mit dem einzigen Unterschied, dass viele schneebedeckte Vulkane in den Himmel ragten. Die Flüsse führten kristallklares Wasser und kulinarisch konnte man sich mit der besten Sorte von Lachs in Südamerika verwöhnen. Als ich einige Tage später an die Weiterreise dachte, musste ich zu meinem Ärger feststellen, dass das Schiff von Puerto Montt nach Punte Arenas, welches die westliche Seite des südlichen Teils dieses Kontinents vorbei am ewigen Eis passierte, ausgebucht war. Die alternative Busfahrt durch das zerklüftete Andengebirge, das ich am Tag meiner Abreise bei Sonnenuntergang hinter mir liegen ließ und in die unendlichen Ebenen Patagoniens einbog, war aber ebenso sehr reizvoll gewesen.

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In Feuerland

Ein strammer Wind wehte ohne Unterbrechung über die kargen, gelben Grasbüschel in der Gegend um Punte Arenas herum. Hier und dort sah man einen Pelikan durch die Landschaft watscheln, es war kalt und öde. Dennoch war ich stolz, nun in der südlichsten Stadt der Welt zu sein, gleichwohl ich wusste, dass es noch Ushuaia weiter südlich gab, das ich aber als Versorgungsposten für Forschungsstationen abtat. Ich wohnte zur Untermiete in dem Haus einer älteren Dame, die mich mit allem herzlich umsorgte, was ich benötigte. Auf einem Ausflug in die Umgebung lernte ich ein argentinisches Kamerateam kennen. Die Journalisten mussten aufgrund des schlechten Wetters hier bereits seit Tagen auf den Überflug ins ewige Eis warten. Vermutlich um ihr Taschengeld aufzubessern, boten sie mir an, für 1.500 US-Dollar eine Woche lang mitzufliegen, was ich schweren Herzens aufgrund meiner finanziell bereits schon wieder angespannten Situation ablehnen musste. Dieser Sachverhalt sollte mich im späteren Verlauf meines Lebens noch sehr oft in Ärger versetzen, hatte ich doch eine große Chance verpasst. Auf der anderen Seite lagen aber noch gut 15.000 Kilometer vor mir, um wieder nach Kolumbien zurück zu kommen, von wo aus mein Rückflug nach Europa starten sollte. Mein durchschnittlicher Tagesetat für die kommenden Wochen wurde kleiner und kleiner, doch Gott sei Dank, hatte ich meine Bankkarte bei einem Freund in Deutschland gelassen, der dadurch in der Lage war, jederzeit Geld einzubezahlen, was ich in Südamerika abholen konnte. Die leidigen Erfahrungen mit der Botschaft in Bogota (Travel Report 2/4) hingen mir noch immer nach.

Reiseberichte:

Travel Report 3/1: In den Krieg
Travel Report 3/2: Kontrolle in Trujillo
Travel Report 3/3: Am Titicaca See
Travel Report 4/1: Durch die Klimazonen
Travel Report 4/2: Am Ende der Welt
Travel Report 4/3: Zu den Christen
Travel Report 5/1: Mode und Prostitution
Travel Report 5/2: Betrunken im Bus nach Belem
Travel Report 5/3: Am Amazonas
Travel Report 6/1: Durch den Urwald
Travel Report 6/2: In Gewahrsam

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