Travel Report 4/3: Zu den Christen

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In Rio Galllegos

1995, Padagonien/Ascunsion: Einige Tage später stand ich in Rio Gallegos, einem weiteren herunter gekommenen und verstaubten Ort, den man nicht unbedingt zu Gesicht bekommen muss. Ich wollte mich von hier aus so schnell wie möglich durch Argentinien schlagen und auf keinen Fall mehr als meinen restlichen Bargeldbestand von ungefähr fünfzig US-Dollar aufbrauchen, um erst wieder in Paraguay Reisechecks eintauschen zu müssen und so die Währungsverluste beim Geldwechsel möglichst klein zu halten. In einer Pizzeria, es war eher eine Garage, aß ich noch eine Kleinigkeit, ehe ich die Busfahrt nach Buenos Aires antrat, die drei Tage und drei Nächte dauerte. Es war jeden Tag das gleiche Bild als ich aus dem Bus blickte, morgens wie abends nichts als gelbe Grasbüschel weit und breit. Jeden Tag zwei Bananen und eine Flasche Wasser, so hielt ich bis Buenos Aires durch, wo ich mir als kulinarischen Genuss die einzige Mahlzeit in Argentinien, eine Milanesa im Brot, leistete. Viel Zeit konnte ich in der Stadt nicht verbringen, der Anschlussbus nach Paraguay startete noch am Tag meiner Ankunft, nur etwa vier Stunden später. Nach einem weiteren Tag auf der Straße erreichte ich endlich Asunción, der Gewaltakt war vorbei und es herrschten wieder tropische Klimabedingungen.

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Zwischenstopp Buenos Aires

Verklebt und verschwitzt, wie ich nach mehr als einer halben Woche ohne Dusche und Körperpflege die Straße vom Busbahnhof in Richtung der Innenstadt von Ascunsion lief, bekam ich plötzlich die größten Bedenken, dass eine Bank mir in meinem Zustand den Umtausch meiner Reisechecks verwehren könnte. Vielmehr, so dachte ich, würde ich als Vagabund wahrgenommen werden, mit dem man besser nichts zu tun haben wollte. Zwei Stunden später sah meine Situation schon deutlich entspannter aus. Man hatte mir die Checks problemlos eingetauscht und ich hatte mir ein riesiges Zimmer mit Blick auf den Präsidentenpalast gebucht, war frisch geduscht und saß genüsslich rauchend auf meinem Balkon. Das Land machte einen deutlich ärmeren Eindruck auf mich, als Argentinien oder Chile, doch die Menschen hier schienen sehr nett zu sein. Ein Passant hatte mir auf meinem Weg in die Innenstadt sogar Geld für den Bus geliehen. Hatten die Menschen in Argentinien und Chile vielfach europäische Wurzeln, so war ich hier jetzt wieder unter Mestizen, die von den Guaraní Indianern abstammten und sich mit den Spaniern vermischt hatte, als diese 1537 Besitz von dem Land ergriffen.

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Der Rio Paraquay

Nach einigen Tagen in der Hauptstadt Paraguays fuhr ich zu einer Farm, deren Besitzer mit Bekannten von mir aus Deutschland befreundet war. Es war eine ungemütliche Fahrt über unbefestigte Straßen und als ich an der Endstation angekommen war, setzte ich mich zunächst in eine Kneipe, da ich nicht genau wusste, wo ich die Farm finden konnte. Ich staunte nicht schlecht, als ich bemerkte, wie die Leute sich hier in tiefstem bayrisch unterhielten. Ich war in einer deutschen ¨Kolonie¨ angekommen, die aus Nachfahren ehemaliger Auswanderer aus dem 19, Jahrhundert zusammen gewürfelt war. Ein Bollwerk der Integrationsunwilligkeit schlug mir entgegen, denn die meisten dieser Menschen konnten nicht einmal Spanisch sprechen, geschweigenden sich mit der hiesigen Kultur anfreunden. Die Farm zu finden war nun ein Kinderspiel, alle kannten sich hier und jeder wusste über den anderen Bescheid. Auf der Farm wurde ich herzlich empfangen und bekam ein Zimmer in einer Hütte gegenüber von dem Hauptgebäude zugewiesen. Das Anwesen war ein einziges Schmuckstück, es bestand aus mehreren sauberen, weißgetünchten Kolonialgebäuden. Etliche Bedienstete sorgten aufopferungsvoll für das Wohl der Anwesenden und sprangen nimmermüde in großer Dienstbarkeit zwischen Hof, Küche und Waschsalon herum. Das Essen war ausgezeichnet und alles war sehr fromm, es hätte ein Paradies sein können, wären da nicht die Frösche und Kröten gewesen, von denen ich mich auf das äußerste ekelte und die mir das Leben zur Hölle machten. Mit den kleinen Springfröschen, die Nachts über die Toilette ins Zimmer kamen und die man immer hörte, wenn sie vom Boden an die Decke hüpften, konnte ich mich nach einer gewissen Zeit noch anfreunden, aber die vielen großen Kröten auf dem Weg vom Hauptgebäude zu meiner Hütte machten mir das Leben äußerst beschwerlich. Sie waren überall und wenn die Toilette erneut nicht ablief, gab es Krötenstau in der Kanalisation. Diesen zu beseitigen gelang nur den unerschrockensten Helfern auf der Farm. Zog man eine Kröte aus dem Abfluss heraus kamen zunächst etliche hinterher, ehe das blockierte Urinal sich in einem Schwall auf der Wiese ergoss.

Reiseberichte:

Travel Report 3/1: In den Krieg
Travel Report 3/2: Kontrolle in Trujillo
Travel Report 3/3: Am Titicaca See
Travel Report 4/1: Durch die Klimazonen
Travel Report 4/2: Am Ende der Welt
Travel Report 4/3: Zu den Christen
Travel Report 5/1: Mode und Prostitution
Travel Report 5/2: Betrunken im Bus nach Belem
Travel Report 5/3: Am Amazonas
Travel Report 6/1: Durch den Urwald
Travel Report 6/2: In Gewahrsam

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Travel Report 4/2: Am Ende der Welt

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Magellan Straße

1995, Puerto Montt/Feuerland: Als ich die Empfehlung aussprach, aufgrund der Körper zerstörenden Wirkung des Weins, selbigen nördlich von Chile besser nicht zu trinken, ahnte ich noch nicht, was in Puerto Montt mit mir geschehen würde. Eigentlich fand ich die Art und Weise, Wein aus einfach zu transportierenden Papierkartons zu trinken, eine recht angenehme Angelegenheit. Ich Chile war das, ebenso wie in Südafrika, ohnehin bei weitem nicht so verpönt wie bei uns in Deutschland. An diesem Abend hatte ich wohl ein Glas oder einen Karton zu viel konsumiert und das gesamte Bad einschließlich der Toilette in der Pension buchstäblich für andere Gäste unannehmbar gemacht. Unfähig alles wegzuwischen, durch meine Putzaktion wurde es noch schlimmer, legte ich mich zu Bett und schämte mich am nächsten Morgen abgrundtief. In den kommenden Tagen unternahm ich Ausflüge in die Umgebung, besuchte die Lachsmärkte und den Hafen der Stadt. So weit südlich war es natürlich längst nicht mehr so warm wie noch zu Beginn meiner Reise, doch das Klima war angenehm und die Landschaft war von einer prächtigen Natur geprägt. Vermutlich, so dachte ich, sieht es hier aus wie in Kanada mit dem einzigen Unterschied, dass viele schneebedeckte Vulkane in den Himmel ragten. Die Flüsse führten kristallklares Wasser und kulinarisch konnte man sich mit der besten Sorte von Lachs in Südamerika verwöhnen. Als ich einige Tage später an die Weiterreise dachte, musste ich zu meinem Ärger feststellen, dass das Schiff von Puerto Montt nach Punte Arenas, welches die westliche Seite des südlichen Teils dieses Kontinents vorbei am ewigen Eis passierte, ausgebucht war. Die alternative Busfahrt durch das zerklüftete Andengebirge, das ich am Tag meiner Abreise bei Sonnenuntergang hinter mir liegen ließ und in die unendlichen Ebenen Patagoniens einbog, war aber ebenso sehr reizvoll gewesen.

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In Feuerland

Ein strammer Wind wehte ohne Unterbrechung über die kargen, gelben Grasbüschel in der Gegend um Punte Arenas herum. Hier und dort sah man einen Pelikan durch die Landschaft watscheln, es war kalt und öde. Dennoch war ich stolz, nun in der südlichsten Stadt der Welt zu sein, gleichwohl ich wusste, dass es noch Ushuaia weiter südlich gab, das ich aber als Versorgungsposten für Forschungsstationen abtat. Ich wohnte zur Untermiete in dem Haus einer älteren Dame, die mich mit allem herzlich umsorgte, was ich benötigte. Auf einem Ausflug in die Umgebung lernte ich ein argentinisches Kamerateam kennen. Die Journalisten mussten aufgrund des schlechten Wetters hier bereits seit Tagen auf den Überflug ins ewige Eis warten. Vermutlich um ihr Taschengeld aufzubessern, boten sie mir an, für 1.500 US-Dollar eine Woche lang mitzufliegen, was ich schweren Herzens aufgrund meiner finanziell bereits schon wieder angespannten Situation ablehnen musste. Dieser Sachverhalt sollte mich im späteren Verlauf meines Lebens noch sehr oft in Ärger versetzen, hatte ich doch eine große Chance verpasst. Auf der anderen Seite lagen aber noch gut 15.000 Kilometer vor mir, um wieder nach Kolumbien zurück zu kommen, von wo aus mein Rückflug nach Europa starten sollte. Mein durchschnittlicher Tagesetat für die kommenden Wochen wurde kleiner und kleiner, doch Gott sei Dank, hatte ich meine Bankkarte bei einem Freund in Deutschland gelassen, der dadurch in der Lage war, jederzeit Geld einzubezahlen, was ich in Südamerika abholen konnte. Die leidigen Erfahrungen mit der Botschaft in Bogota (Travel Report 2/4) hingen mir noch immer nach.

Reiseberichte:

Travel Report 3/1: In den Krieg
Travel Report 3/2: Kontrolle in Trujillo
Travel Report 3/3: Am Titicaca See
Travel Report 4/1: Durch die Klimazonen
Travel Report 4/2: Am Ende der Welt
Travel Report 4/3: Zu den Christen
Travel Report 5/1: Mode und Prostitution
Travel Report 5/2: Betrunken im Bus nach Belem
Travel Report 5/3: Am Amazonas
Travel Report 6/1: Durch den Urwald
Travel Report 6/2: In Gewahrsam

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