Travel Report 14/1: In Alma Ata

02010, Almaty/Kasachstan: Ich hatte mir immer wieder vorgenommen, mich nicht mehr am Flughafen von angeblichen Taxifahrern täuschen zu lassen, hier in Almaty war es schließlich wieder einmal so weit. Der nette ältere Herr in der Ankunftshalle hatte einen zuverlässigen Eindruck auf mich gemacht und sein Angebot, mich für 2.000 Tenge vom Flughafen in die Stadt zu fahren, was umgerechnet etwa zehn US-Dollar entsprach, klang für mich verlockend. Als ich mit ihm vor den Flughafen lief und ein junger Kerl in einem alten Ford mit schwarz getönten Scheiben angerauscht kam, war ich wenig erfreut, kannte ich solche Situationen doch schon zur Genüge. Ich hätte natürlich noch genügend Zeit gehabt, mich aus der Situation herauszuwinden, wäre ich einfach nicht in den Wagen eingestiegen und hätte statt dessen den anschließenden Zorn des Alten auf mich genommen. Dennoch stieg ich ein, der Preis war ja fix ausgehandelt, aber ein offizielles Taxi war das mit Sicherheit nicht. Mit großem Erstaunen nahm ich auf dem Rücksitz des Fahrzeugs dann die Preistabelle entgegen, die mir der Alte mit einem breiten Lächeln vom Beifahrersitz nach Hinten entgegen streckte. Die 2.000 Tenge sollten nicht die gesamte Fahrt, sondern nur einen Kilometer abdecken. Aussteigen aus dem Wagen konnte ich jetzt nicht  mehr, mein Koffer war im Kofferraum verstaut und wir fuhren in hohem Tempo in unbekannten Seitenstraßen entlang. Sie waren ja auch zu zweit, so dass ich den Betrug über mir ergehen lassen musste. Dabei hatte mich mein befreundeter Entwicklungshelfer, Dr. Diebold, den ich hier besuchen wollte, ausdrücklich vor solchen Situationen gewarnt. Ich traute mir nach der Fahrt niemandem offen zu legen, wie viel ich Geld ich für die Taxifahrt zu bezahlen hatte, muss aber zu meiner Ehre sagen, dass ich am Ende noch einiges herunter handeln konnte. Als Diebold mir die Türe öffnete waren die beiden Gott sei Dank schon wieder verschwunden und er bekam nichts von der peinlichen Situation mit.

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Sovijet Stil

Kasachstan war der erste Aufenthaltsort der Zentral-Asien Reise, die durch mehrere Länder führen sollte, hier wollte ich mir einige Tage lang Almaty ansehen und dann weiter nach Usbekistan reisen, schließlich bestand das übrige Land lediglich aus einer eintönigen Steppenlandschaft inmitten welcher die künstliche Hauptstadt Astana vor einigen Jahren aus dem Boden gestampft worden war. Daneben gab es eigentlich nichts erfreuliches mehr, etwa die riesigen Öl- und Gasfelder, die Raketenabschussstation Baikanur und den ausgetrockneten Aralsee. Zeitlebens war ich ein Kritiker der europäisch geprägten Entwicklungshilfe gewesen, weil sich die hier bereit gestellten Mittel immer im Sumpf der Korruption verflüchtigt hatten oder den falschen, ja teilweise den gefährlichen Händen zugeflossen ist. Ich schätzte anstatt dessen das chinesische Verfahren, mit eigenen Arbeitern die Infrastruktur unterentwickelter Länder aufzubauen. Als Gast der GTZ, dem Ableger des Entwicklungshilfeministeriums, bei der Diebold arbeitete, wurde ich diesbezüglich noch einmal bestätigt, als ich von mehreren kostspieligen Projekten erfuhr, die aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit lokaler Autoritäten im Sande verlaufen waren. Ich besuchte die kasachische Dependance der Gesellschaft mehrere Male. Stock besoffen kam eines Tages der kasachische Präsident des lokalen Ablegers in Alamty nach einer durchzechten Mittagspause, die mehr als vier Stunden gedauert hatte, zurück zum Bürogebäude der GTZ, als ich zufällig zugegen war, worauf ich wehmütig an den deutschen Steuerzahler dachte , der das alles finanzierte.

Eigentlich gibt es nicht viel von Almaty zu erzählen, außer dass es eine recht weitläufige Stadt war, wie die Städte in dieser Gegend eben sind. Viel Geschichte gab es nicht, zunächst als russisches Fort im 19. Jahrhundert gegründet, entwickelte sich die Stadt zum einzig nennenswerten Ort weit und breit. Man hatte einen sehr westlichen Einschlag, was etwa an der knappen Kleidung der Frauen oder an den Waren in den Boutiquen und Läden festzumachen war. Neben den gängigen Dutyfree Flughafenartikeln, wie etwa den Markenhandtaschen und Sonnenbrillen, den Parfüm- und Schnapswaren gab es überall westliche Modeketten in der Stadt. Doch verbunden mit der Sowjetarchitektur wurde dadurch eine sehr eigentümliche Atmosphäre geschaffen, die ich den Post-Sowjet-Kapitalismus zu nennen pflegte. Hervorzuheben waren allerdings die schönen Berge hinter Almaty, vereinzelt sah es dort mit den nachgebauten österreichischen Holzhäuschen so aus, als hätte man sich in den Alpen verlaufen und wenn man sich weit genug hinauf traute, konnte man in ein paar Tagen nach Kirgisien hinüber laufen. Allerdings sahen die Berge schon sehr wuchtig aus, immerhin führte das Altai Gebirge, wie es sich nannte, auf eine Höhe von 4.500 Metern, es war somit eine ganze Portion Übung erforderlich, wollte man auf eigene Faust in das Nachbarland gelangen.

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Blick auf Almaty

Ähnlich wie in den anderen zentralasiatischen Staaten, Kirgisien teilweise ausgenommen, wurde Kasachstan von dem ehemaligen obersten Sowjet des Staates als immerwährender und nicht abwählbarer Präsident regiert, der als Überbleibsel des zusammen gebrochenen Riesenreiches unangefochten im Sattel saß. Das Schlug sich auch im Nationalmuseum nieder, welches sich in der Mitte von Almaty befand. Es bestand aus vier großen Räumen. Der unterste davon handelte von der prähistorischen Zeit, von den Dinosauriern und von den ganzen Fossilien, die man verstreut im Land gefunden hatte. Der zweite Raum befasste sich mit der frühen Besiedlung, der Post-Neolithischen Zeit und dem Nomadenleben. Der dritte Raum zeigte dann die Geschichte des Landes so ungefähr vom Beginn des 18. Jahrhundert bis zum Ende der Sowjet-Zeit und der oberste Raum war schließlich dem Präsidenten vorbehalten, der hier auf unzähligen Bildern die Hände anderer wichtiger und mit vielen Orden behangener Leuten schüttelte. Vom Dinosaurier zum Präsidenten ging hier sozusagen die Geschichte des Landes, lustiger Weise war das Nationalmuseum von Usbekistan und Tadschikistan nach eben demselben Schema aufgebaut, wie ich im Verlauf der Reise noch erfahren sollte. Nach vier Tagen in Almaty flog ich weiter nach Tashkent in Usbekistan. Noch war der genaue Reiseverlauf nicht endgültig definiert, eine richtige „Stans“ Tour würde selbstverständlich auch nach Turkmenistan führen müssen, was einen ziemlichen organisatorischen Aufwand mit sich gezogen hätte, denn dort durfte man nur mit einem Aufpasser herumreisen, der etwa 150 Dollar am Tag kostete. Ich wollte das alles erst in Bukhara entscheiden, von wo aus man über Turkmenabad und Mary nach Ashgabat fahren konnte. Ich hatte auch überlegt, über das Kaspische Meer nach Baku oder über Mashad nach Teheran weiter zu reisen, doch den Gedanken mangels verfügbarer Reisezeit verworfen, es sollte endgültig nur eine “Stans“ Tour werden, mit oder ohne China und Turkmenistan, war noch nicht klar.

Reiseberichte:

Travel Report 14/1: In Alma Ata
Travel Report 14/2: Wodka in Khiva
Travel Report 14/3: Am Aralsee
Travel Report 14/4: Über Samarkand nach Pandjakent
Travel Report 14/5: In den Schluchten Tadschikistans
Travel Report 14/6: Eine Nacht in Murgab
Travel Report 14/7: Hinunter zu den Uiguren

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