Travel Report 14/4: Über Samarkand nach Panjakent

2010, Khiva: Nachdem ich mich von dem Ausflug an den vertrockneten Aralsee (Travel Report 14/3) einen weiteren Tag in Khiva erholt hatte, schickte ich Nikolai zum Bahnhof, damit er dort zwei Tickets nach Samarkand und Tashkent lösen würde, meine Pläne nach Turkmenistan weiter zu fahren, hatte ich inzwischen begraben (Travel 14/1). Nikolai wollte zurück nach Tashkent, während ich in Samarkand, der berühmten alten Stadt an der Seidenstraße, nur einen kurzen Zwischenstopp einplante und primär das Ziel verfolgte, weiter nach Tajikistan zu fahren. Bereits in Kasachstan, als meine Reise begonnen hatte, ging die Nachricht um, der tajikische Präsident Emomalii Rahmon hätte einen Herzanfall erlitten. Ich hoffte, der Präsident würde noch die Zeit meines Aufenthaltes durchhalten, denn die Lage in dem schroffen Gebirgsland war alles andere als gefestigt. Bis 1997 hatte ein Bürgerkrieg getobt und es konnten im Falle eines politischen Vakuums jederzeit die alten Gräben wieder aufbrechen, zumal die Pamir-Region weiter nach Unabhängigkeit strebte. Als zweites bedrückte mich die Sorge um mein Bargeld, das ich bei der Einreise von den tajikischen Grenzbeamten zählen lassen musste. Es war schließlich nur erlaubt auch die Menge an Geld wieder mit zu nehmen, die zuvor bei der Einreise zertifiziert worden war. Drittens war mir von der Registrierungspflicht bei der Polizei, der man spätestens am dritten Tage des Aufenthaltes in dem Land nachkommen musste, nichts Gutes zu Ohren gekommen. Die Korruption war allgegenwärtig und die Öffnungszeiten der Registrierungsstellen alles andere als kundenfreundlich, vorausgesetzt, man konnte diese überhaupt finden und sich dort verständigen.

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Samarkand am Morgen

Die Sonne glühte auf den stählernen gelben Waggon ein, in dem ich am kommenden Tag zusammen mit dem russischen Professor saß, es war als sollten wir gegart werden. Bei verlangsamter Zugfahrt, was überaus oft vorkam, führte der ausbleibende Fahrtwind zu regelrechten Schweißausbrüchen bei mir und bei den anderen Passagieren um mich herum. Fleißig wurde dann allerseits mit bunten Taschentüchern nach Luft gewedelt, doch viel genutzt hat es nicht. Ich schaute auf die vorbei ziehende braune und versandete Landschaft, wie sollen wir bei dieser Hitze in der Nacht nur schlafen können, fragte ich mich. Die Zugfahrt dauerte gut achtzehn Stunden und meine Ankunft in Samarkand war gegen sechs Uhr morgens geplant. Wir saßen in einem typischen Waggon russischer Bauart mit sechs Klappbetten in jedem Abteil, drei davon auf jeder Seite, ich musste mit dem obersten Bett vorlieb nehmen, in dem es natürlich am wärmsten war. Aber alle Sorgen dieser Art verschwanden auf einen Schlag, als ich in die Augen einer jungen Dame blickte, die wohl aufgrund unseres westlichen Aussehens auf uns aufmerksam geworden war und uns nun mit einem hübschen Lächeln Gurken- und Tomatensalat aus einer Plastikschüssel anbot und uns dazu Fladenbrot reichte. Gleichzeitig erschrak ich über das Aussehen ihrer Freundin, die mir geradewegs in das Gesicht lachte und wohl kaum älter als zwanzig Jahre alt war, doch schon über ein Gebiss aus purem Gold verfügte. Wir luden die beiden dazu ein, sich zu uns zu gesellen, schließlich gab die Landschaft außerhalb des Zuges weitaus weniger reizvolles her. Nach einer kurzen Konversation stellte sich heraus, dass die Hübsche Nodira Jaberganova hieß und als Deutschlehrerin in Nukus arbeitet, doch ungeachtet dieser Tatsache war es kaum möglich, eine vernünftige Unterhaltung mit ihr zu führen, denn in Wirklichkeit war es nicht weit her mit ihren Deutschkenntnissen. Nikolai musste also übersetzten und bevor wir uns einige Stunden später zum Schlafen legten, bekam ich noch einen Heiratsantrag gestellt und die eMail Adresse überreicht, schnell hatte wohl das reiche Europa gelockt. Dabei hinterließ Usbekistan bisher einen sehr guten Eindruck bei mir, immerhin gab es keine sichtbare Armut und die Menschen schienen ungeachtet der strikten Diktatur bis zu einem gewissen Grad ihre Freiheit genießen zu können.

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Schluchtenwelt

Am kommenden Morgen war ich bereits um fünf Uhr wach, verabschiedete mich von Nikolai und während ich aus dem Zug stieg, um den Bahnsteig von Samarkand zu betreten, winkten mir die beiden jungen Damen noch hinterher. Als sich der Zug wieder langsam in Bewegung setzte, eilte ich im Morgengrauen vom Bahnhof zu dem weltbekannten Registanplatz, um mir diese wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt kurz anzusehen und dann schnell weiter nach Tajikistan zu reisen. Noch immer waren meine Gedanken bei Nodira, die so typisch wie die meisten Frauen in Usbekistan ausgesehen hatte. Man konnte in ihren Gesichtern einen leichten russischen und einen leichten fernöstlichen Schimmer erkennen, wusste aber nicht so recht, in welche Himmelsrichtung man sie zuordnen sollte. Die kunterbunten Suzuni-Kleider waren so dünn und knapp geschnitten, dass man kaum erahnen konnte, sich in einem islamisch geprägten Land zu befinden und ähnlich wie in Japan lächelten die Frauen unentwegt. Als ich nach einer halben Stunde am Registanplatz ankam, war ich der erste Tourist, der das historische Wahrzeichen aus dem 15. Jahrhundert in diesen frühen Morgenstunden besuchen durfte und wollte gleich das weiche Licht dazu nutzen, die im Angesicht der ersten Sonnenstrahlen glitzernden, blau gekachelten Medressen zu fotografieren. Kaum hatte ich den Fotoapparat ausgepackt, stand schon ein junger Polizist an meiner Seite und bot mir an, mir gegen ein kleines Trinkgeld ein geheimes Tor zu öffnen, das zu einer Treppe hinauf auf einen der Türme führen sollte. Er rief mir noch hinterher, bloß vorsichtig zu sein und schnell begriff ich auch den Grund hierfür. Das gesamte innere des alten Bauwerks war zusammengefallen und es war erforderlich über Schuttmassen und Holzleitern zu steigen, schließlich noch ein Gerüst hinaufzuklettern, ehe man im Gewölbe ankam, wo ich mit einem herrlichen Blick auf die rötlich warm beleuchtete Stadt belohnt wurde. Als ich diesen Moment für einige Minuten genossen hatte und wieder zurück auf dem Platz angekommen war, sah ich bereits die ersten Besucher einströmen, es war die Zeit gekommen, weiter an die Grenze zu fahren.

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Bei den 7 Seen

Als mein Bargeld, etwa 1.000 US-Dollar in kleinen Scheinen, auf dem Tisch des tajikischen Grenzbeamten lag, damit dieser es offiziell registrieren konnte und ich dadurch befugt war, das Geld bei der Ausreise wieder mit mir zu nehmen, war mir nicht gut zu Mute. Immerhin handelte es sich fast um ein Jahresgehalt des Polizisten und derselbe war sich sicherlich bewusst, wie wehrlos ich gegenüber jeder Art der Erpressung gewesen wäre. Zudem lag die Grenze irgendwo im Niemandsland und ich musste mit einem der Fahrer, die vor dem Grenzposten warteten, weiter nach Panjakent fahren, wo ich die ersten Nächte in Tajikistan verbringen wollte. Wie leicht hätte der Grenzbeamte mit dem Fahrer gemeinsame Sache machen und mich ausnehmen können. Auch war es mir peinlich, im Verhältnis so viel Geld gegenüber den Menschen hier bei mir zu führen und dabei war es ja nur der Notgroschen, falls es Probleme mit den Kreditkarten geben sollte. Nur einmal zuvor war ich in eine ähnliche, zugegebener Maßen noch ärgere Situation gekommen, als ich auf einer Bank in Kuba das fünfzig Fache des Monatsverdienstes von dem Bankangestellten abgehoben hatte. Die gesamte Prozedur an der Grenze dauerte erstaunlicherweise nur etwa eine Stunde und nach nunmehr knapp zwei Wochen Flach- und Wüstenland konnte ich die mächtigen Ausläufer des tajikischen Hochgebirges bestaunen, die ihren Meister in dem knapp 7.500 Meter hohen Pik Ismoil Somoni fanden, der auch schon mal Pik Stalin und Pik Kommunismus geheißen hatte.

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Unterwegs

Es gab natürlich keine Probleme mit dem Fahrer, der mich von der Grenze nach Panjakent brachte, die Menschen waren zwar arm, aber ehrlich und ich kam mir schlecht vor, wie ich sie durch meine Paranoia vorverurteilte. Kaum in Panjakent angekommen, galt es sich als erstes der lästigen Pflicht der OVIR Registrierung zu entledigen, ein altes Relikt aus sowjetischer Zeit, nachdem jeder Reisende dazu verpflichtet war, sich innerhalb von drei Tagen nach der Grenzüberschreitung bei der Polizei zu melden. Ich hatte Glück, mein Hotel lag direkt gegenüber der Bezirksverwaltung, der Besitzer war der englischen Sprache mächtig und kannte die Beamten. Trotzdem dauerte die Prozedur beinahe zwei Stunden, in denen ich, über eine Hintertür hereingelassen, in einem kleinen Büro warten musste. Alle halbe Stunde hatte ich dort gut fünf Dollar für irgendeine Dienstleistung zu bezahlen und jedes Mal wurde dabei ein roter Stempel auf ein Dokument gehauen, das in kyrillischer Schrift verfasst und für mich nicht lesbar war. Meiner Ansicht nach diente der gesamte Prozess für die Beamten nur dazu, sich den Wodka für das Wochenende zu finanzieren und so war ich froh, als ich endlich das Verwaltungsgebäude wieder durch den Hinterausgang verlassen konnte und im Besitz eines Stempels in meinem Pass und einer offiziellen Einreiseurkunde mit diversen roten Stempeln war.

Reiseberichte:

Travel Report 14/1: In Alma Ata
Travel Report 14/2: Wodka in Khiva
Travel Report 14/3: Am Aralsee
Travel Report 14/4: Über Samarkand nach Pandjakent
Travel Report 14/5: In den Schluchten Tadschikistans
Travel Report 14/6: Eine Nacht in Murgab
Travel Report 14/7: Hinunter zu den Uiguren

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