Travel Report 14/3: Am Aralsee

2010, Moynaq: 180 Dollar sollte ich für das Taxi an den Aralsee bezahlen. Für mich war der Preis unerklärlich, denn das Benzin kostete auch in Usbekistan knappe zwei Dollar pro Liter und wir mussten eine Strecke von 800 Kilometern zurücklegen. Bei geschätzten 80 Litern Benzin für die Fahrt, müsste der Taxifahrer demnach Kosten von etwa 150 Dollar aufbringen und hätte am gesamten Tag nur 30 Dollar verdient, die Abnutzung des Autos nicht eingerechnet. Ich wurde einfach nicht schlau aus dem Preis, den ich da bezahlen sollte, doch das war nicht meine Angelegenheit. Morgens um sechs Uhr holte der Taxifahrer mich und Nikolai (Travel 14/2) von unserer Pension ab und es ging in Richtung Norden los. Zuerst kamen wir in Nukus vorbei, der am westlichsten gelegene Stadt in Usbekistan, von hier an wurde die Fahrt sehr öde und es ging fast nur noch durch Wüstenlandschaft. Lediglich ein einziges Mal kamen wir an einem Fluss vorbei an dessen Ufern kein Baum, kein Strauch, ja überhaupt nichts Grünes zu sehen war. Die Flüsse, die aus den Gletschern Tajikistans entspringen und sich durch Usbekistan schlängeln, versickern hier im Sand, wurde mir später mitgeteilt. So ging das etwa fünf Stunden, ehe wir in Moynaq (Muynak) angekommen waren. Eine trostlose Fischerstadt, in der es keine Fische mehr gab, weil ja der Aralsee  verschwunden war. Trotzdem wäre ich dazu bereit gewesen, alles verfügbare Geld auszugeben, um die rostenden Schiffe einmal zu sehen. Jetzt war ich da und musste dafür nur 180 Dollar bezahlen.

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Der Aralsee

Als ich eine Woche zuvor in Bukhara von einer Privatperson zu einer bezahlten Stadtrundfahrt eingeladen worden war, wurde ich zum ersten Mal auf das Benzinproblem in Usbekistan aufmerksam. Nervös schaute damals mein privater Guide auf die Tanknadel und hoffte, sein Benzin würde ausreichen, um die mit mir vereinbarten touristischen Ziele zu erreichen, während ich gleichzeitig hoffte, nicht irgendwo in der Wüste mit einem Fahrer ohne Benzin da zu stehen. An den Tankstellen hatte ich die langen Staus und die gelangweilten Leute gesehen, die hier in ihren Autos tagelang auf Kraftstoff warteten. Ein präsidiales Verständigungs-Problem trieb das Land in den Mangel an Kraftstoff, zumindest meinte das mein Guide, der mir erzählte, dass die Knappheit an Benzin immer dann entstehen würde, wenn die Präsidenten von Usbekistan und Kasachstan verstritten waren und dadurch die Quellen kasachischen Öls versiegten. Auch der Taxifahrer hatte sich auf unserer Fahrt hierher an das ausgetrocknete Ufer des Aralsees immer wieder nach Benzin umgeschaut, aber die wenigen Tankstellen auf unserem Weg waren allesamt geschlossen gewesen. Verwunderlicher Weise ging aber seine Tanknadel nicht zurück, was mir reichlich komisch vorkam.

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In der Bar

Die Hauptattraktion in Muynaq waren die vor sich hin rostenden ehemaligen Schifferboote, die nun auf dem sandigen Boden auf ihren Verfall warteten. Nachdem ich mich vor verschiedenen Booten in unterschiedlichen Posen von dem Professor und dem Taxifahrer auf Bildern verewigen habe lassen und wir anschließend noch gut eine viertel Stunde am ehemaligen Fischerhafen herum geschlendert waren, suchten wir nach einem Restaurant. So etwas gab es in dem gut 200 Kilometer weit abgelegenen Dorf mit seinen etwa 8.000 Einwohnern natürlich nicht, allerdings fanden wir ein Art Bar, in der wir etwas essen konnten. Einmal mehr wurde Manti aufgetischt, eine Art Riesen-Ravioli nur ohne Tomatengeschmack, Fisch gab es ja keinen mehr, weil der See ausgetrocknet war. Nikolai lachte herzlich, als wir unsere Getränke in auseinander gesägten Weinflaschen serviert bekamen und er hatte auch für den restlichen Aufenthalt in der Bar nur Spott und Hohn für diese Utensilien übrig gehabt. Gleich wohl es vielleicht doch nicht, wie er meinte, etwas auf modern gemachtes war, vielleicht gab es hier, wo die Sandstürme das Salz aus dem vertrockneten Aralsee über die Dörfer wehte, wirklich kein ordentliches Geschirr.

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Am Ortsschild

Nach gut zwei Stunden in Moynaq und um die Erfahrung reicher, wie es in einem ehemaligen Fischerdorf in der Wüste an einem ausgetrockneten See aussieht, entschlossen wir uns zurück nach Khiva zu fahren. Solch eine Erfahrung kann man nicht an allzu vielen Stellen auf der Welt machen, vielleicht noch in Aralsk in Kasachstan, dachte ich und war froh, hier gewesen zu sein, während ich mir gleichzeitig Sorgen um das Benzin auf der Rückfahrt machte. Es dauerte nicht lange, ehe wir, wie schon so oft auf dieser Fahrt zuvor, an einem der zahlreichen Polizeiposten anhalten mussten. Erstmals durchsuchten die grün Uniformierten mit ihren grünen Zylinderhüten das gesamte Fahrzeug. Mir fiel die riesige Gasflasche im Kofferraum unseres Taxis auf, die fast die Hälfte des Platzes einnahm. Der Taxifahrer erklärte mir auf meine Frage hin, was die Flasche im Kofferraum zu suchen hatte, dass er mit Methangas fährt, worauf ich verwundert meine Stirn runzelte. Es dauerte schließlich auch nicht mehr lange, bis wir nach der Polizeikontrolle an einer Gastankstelle anhielten, denn Gas war im Gegensatz zu Benzin überall zu haben und eine Ladung davon, die für 400 Kilometer reichte, kostete umgerechnet nur etwa zehn Dollar. Überhaupt war das gesamte Land ein einziges Gasfeld, wie ich aus einem Museum in Tashkent wusste und begriff dabei allmählich, dass ich bei der Fahrt vermutlich doch keinen guten Deal gemacht hatte.

Reiseberichte:

Travel Report 14/1: In Alma Ata
Travel Report 14/2: Wodka in Khiva
Travel Report 14/3: Am Aralsee
Travel Report 14/4: Über Samarkand nach Pandjakent
Travel Report 14/5: In den Schluchten Tadschikistans
Travel Report 14/6: Eine Nacht in Murgab
Travel Report 14/7: Hinunter zu den Uiguren

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