Travel Report 14/4: Über Samarkand nach Panjakent

2010, Khiva: Nachdem ich mich von dem Ausflug an den vertrockneten Aralsee (Travel Report 14/3) einen weiteren Tag in Khiva erholt hatte, schickte ich Nikolai zum Bahnhof, damit er dort zwei Tickets nach Samarkand und Tashkent lösen würde, meine Pläne nach Turkmenistan weiter zu fahren, hatte ich inzwischen begraben (Travel 14/1). Nikolai wollte zurück nach Tashkent, während ich in Samarkand, der berühmten alten Stadt an der Seidenstraße, nur einen kurzen Zwischenstopp einplante und primär das Ziel verfolgte, weiter nach Tajikistan zu fahren. Bereits in Kasachstan, als meine Reise begonnen hatte, ging die Nachricht um, der tajikische Präsident Emomalii Rahmon hätte einen Herzanfall erlitten. Ich hoffte, der Präsident würde noch die Zeit meines Aufenthaltes durchhalten, denn die Lage in dem schroffen Gebirgsland war alles andere als gefestigt. Bis 1997 hatte ein Bürgerkrieg getobt und es konnten im Falle eines politischen Vakuums jederzeit die alten Gräben wieder aufbrechen, zumal die Pamir-Region weiter nach Unabhängigkeit strebte. Als zweites bedrückte mich die Sorge um mein Bargeld, das ich bei der Einreise von den tajikischen Grenzbeamten zählen lassen musste. Es war schließlich nur erlaubt auch die Menge an Geld wieder mit zu nehmen, die zuvor bei der Einreise zertifiziert worden war. Drittens war mir von der Registrierungspflicht bei der Polizei, der man spätestens am dritten Tage des Aufenthaltes in dem Land nachkommen musste, nichts Gutes zu Ohren gekommen. Die Korruption war allgegenwärtig und die Öffnungszeiten der Registrierungsstellen alles andere als kundenfreundlich, vorausgesetzt, man konnte diese überhaupt finden und sich dort verständigen.

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Samarkand am Morgen

Die Sonne glühte auf den stählernen gelben Waggon ein, in dem ich am kommenden Tag zusammen mit dem russischen Professor saß, es war als sollten wir gegart werden. Bei verlangsamter Zugfahrt, was überaus oft vorkam, führte der ausbleibende Fahrtwind zu regelrechten Schweißausbrüchen bei mir und bei den anderen Passagieren um mich herum. Fleißig wurde dann allerseits mit bunten Taschentüchern nach Luft gewedelt, doch viel genutzt hat es nicht. Ich schaute auf die vorbei ziehende braune und versandete Landschaft, wie sollen wir bei dieser Hitze in der Nacht nur schlafen können, fragte ich mich. Die Zugfahrt dauerte gut achtzehn Stunden und meine Ankunft in Samarkand war gegen sechs Uhr morgens geplant. Wir saßen in einem typischen Waggon russischer Bauart mit sechs Klappbetten in jedem Abteil, drei davon auf jeder Seite, ich musste mit dem obersten Bett vorlieb nehmen, in dem es natürlich am wärmsten war. Aber alle Sorgen dieser Art verschwanden auf einen Schlag, als ich in die Augen einer jungen Dame blickte, die wohl aufgrund unseres westlichen Aussehens auf uns aufmerksam geworden war und uns nun mit einem hübschen Lächeln Gurken- und Tomatensalat aus einer Plastikschüssel anbot und uns dazu Fladenbrot reichte. Gleichzeitig erschrak ich über das Aussehen ihrer Freundin, die mir geradewegs in das Gesicht lachte und wohl kaum älter als zwanzig Jahre alt war, doch schon über ein Gebiss aus purem Gold verfügte. Wir luden die beiden dazu ein, sich zu uns zu gesellen, schließlich gab die Landschaft außerhalb des Zuges weitaus weniger reizvolles her. Nach einer kurzen Konversation stellte sich heraus, dass die Hübsche Nodira Jaberganova hieß und als Deutschlehrerin in Nukus arbeitet, doch ungeachtet dieser Tatsache war es kaum möglich, eine vernünftige Unterhaltung mit ihr zu führen, denn in Wirklichkeit war es nicht weit her mit ihren Deutschkenntnissen. Nikolai musste also übersetzten und bevor wir uns einige Stunden später zum Schlafen legten, bekam ich noch einen Heiratsantrag gestellt und die eMail Adresse überreicht, schnell hatte wohl das reiche Europa gelockt. Dabei hinterließ Usbekistan bisher einen sehr guten Eindruck bei mir, immerhin gab es keine sichtbare Armut und die Menschen schienen ungeachtet der strikten Diktatur bis zu einem gewissen Grad ihre Freiheit genießen zu können.

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Schluchtenwelt

Am kommenden Morgen war ich bereits um fünf Uhr wach, verabschiedete mich von Nikolai und während ich aus dem Zug stieg, um den Bahnsteig von Samarkand zu betreten, winkten mir die beiden jungen Damen noch hinterher. Als sich der Zug wieder langsam in Bewegung setzte, eilte ich im Morgengrauen vom Bahnhof zu dem weltbekannten Registanplatz, um mir diese wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt kurz anzusehen und dann schnell weiter nach Tajikistan zu reisen. Noch immer waren meine Gedanken bei Nodira, die so typisch wie die meisten Frauen in Usbekistan ausgesehen hatte. Man konnte in ihren Gesichtern einen leichten russischen und einen leichten fernöstlichen Schimmer erkennen, wusste aber nicht so recht, in welche Himmelsrichtung man sie zuordnen sollte. Die kunterbunten Suzuni-Kleider waren so dünn und knapp geschnitten, dass man kaum erahnen konnte, sich in einem islamisch geprägten Land zu befinden und ähnlich wie in Japan lächelten die Frauen unentwegt. Als ich nach einer halben Stunde am Registanplatz ankam, war ich der erste Tourist, der das historische Wahrzeichen aus dem 15. Jahrhundert in diesen frühen Morgenstunden besuchen durfte und wollte gleich das weiche Licht dazu nutzen, die im Angesicht der ersten Sonnenstrahlen glitzernden, blau gekachelten Medressen zu fotografieren. Kaum hatte ich den Fotoapparat ausgepackt, stand schon ein junger Polizist an meiner Seite und bot mir an, mir gegen ein kleines Trinkgeld ein geheimes Tor zu öffnen, das zu einer Treppe hinauf auf einen der Türme führen sollte. Er rief mir noch hinterher, bloß vorsichtig zu sein und schnell begriff ich auch den Grund hierfür. Das gesamte innere des alten Bauwerks war zusammengefallen und es war erforderlich über Schuttmassen und Holzleitern zu steigen, schließlich noch ein Gerüst hinaufzuklettern, ehe man im Gewölbe ankam, wo ich mit einem herrlichen Blick auf die rötlich warm beleuchtete Stadt belohnt wurde. Als ich diesen Moment für einige Minuten genossen hatte und wieder zurück auf dem Platz angekommen war, sah ich bereits die ersten Besucher einströmen, es war die Zeit gekommen, weiter an die Grenze zu fahren.

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Bei den 7 Seen

Als mein Bargeld, etwa 1.000 US-Dollar in kleinen Scheinen, auf dem Tisch des tajikischen Grenzbeamten lag, damit dieser es offiziell registrieren konnte und ich dadurch befugt war, das Geld bei der Ausreise wieder mit mir zu nehmen, war mir nicht gut zu Mute. Immerhin handelte es sich fast um ein Jahresgehalt des Polizisten und derselbe war sich sicherlich bewusst, wie wehrlos ich gegenüber jeder Art der Erpressung gewesen wäre. Zudem lag die Grenze irgendwo im Niemandsland und ich musste mit einem der Fahrer, die vor dem Grenzposten warteten, weiter nach Panjakent fahren, wo ich die ersten Nächte in Tajikistan verbringen wollte. Wie leicht hätte der Grenzbeamte mit dem Fahrer gemeinsame Sache machen und mich ausnehmen können. Auch war es mir peinlich, im Verhältnis so viel Geld gegenüber den Menschen hier bei mir zu führen und dabei war es ja nur der Notgroschen, falls es Probleme mit den Kreditkarten geben sollte. Nur einmal zuvor war ich in eine ähnliche, zugegebener Maßen noch ärgere Situation gekommen, als ich auf einer Bank in Kuba das fünfzig Fache des Monatsverdienstes von dem Bankangestellten abgehoben hatte. Die gesamte Prozedur an der Grenze dauerte erstaunlicherweise nur etwa eine Stunde und nach nunmehr knapp zwei Wochen Flach- und Wüstenland konnte ich die mächtigen Ausläufer des tajikischen Hochgebirges bestaunen, die ihren Meister in dem knapp 7.500 Meter hohen Pik Ismoil Somoni fanden, der auch schon mal Pik Stalin und Pik Kommunismus geheißen hatte.

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Unterwegs

Es gab natürlich keine Probleme mit dem Fahrer, der mich von der Grenze nach Panjakent brachte, die Menschen waren zwar arm, aber ehrlich und ich kam mir schlecht vor, wie ich sie durch meine Paranoia vorverurteilte. Kaum in Panjakent angekommen, galt es sich als erstes der lästigen Pflicht der OVIR Registrierung zu entledigen, ein altes Relikt aus sowjetischer Zeit, nachdem jeder Reisende dazu verpflichtet war, sich innerhalb von drei Tagen nach der Grenzüberschreitung bei der Polizei zu melden. Ich hatte Glück, mein Hotel lag direkt gegenüber der Bezirksverwaltung, der Besitzer war der englischen Sprache mächtig und kannte die Beamten. Trotzdem dauerte die Prozedur beinahe zwei Stunden, in denen ich, über eine Hintertür hereingelassen, in einem kleinen Büro warten musste. Alle halbe Stunde hatte ich dort gut fünf Dollar für irgendeine Dienstleistung zu bezahlen und jedes Mal wurde dabei ein roter Stempel auf ein Dokument gehauen, das in kyrillischer Schrift verfasst und für mich nicht lesbar war. Meiner Ansicht nach diente der gesamte Prozess für die Beamten nur dazu, sich den Wodka für das Wochenende zu finanzieren und so war ich froh, als ich endlich das Verwaltungsgebäude wieder durch den Hinterausgang verlassen konnte und im Besitz eines Stempels in meinem Pass und einer offiziellen Einreiseurkunde mit diversen roten Stempeln war.

Reiseberichte:

Travel Report 14/1: In Alma Ata
Travel Report 14/2: Wodka in Khiva
Travel Report 14/3: Am Aralsee
Travel Report 14/4: Über Samarkand nach Pandjakent
Travel Report 14/5: In den Schluchten Tadschikistans
Travel Report 14/6: Eine Nacht in Murgab
Travel Report 14/7: Hinunter zu den Uiguren

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Travel Report 14/3: Am Aralsee

2010, Moynaq: 180 Dollar sollte ich für das Taxi an den Aralsee bezahlen. Für mich war der Preis unerklärlich, denn das Benzin kostete auch in Usbekistan knappe zwei Dollar pro Liter und wir mussten eine Strecke von 800 Kilometern zurücklegen. Bei geschätzten 80 Litern Benzin für die Fahrt, müsste der Taxifahrer demnach Kosten von etwa 150 Dollar aufbringen und hätte am gesamten Tag nur 30 Dollar verdient, die Abnutzung des Autos nicht eingerechnet. Ich wurde einfach nicht schlau aus dem Preis, den ich da bezahlen sollte, doch das war nicht meine Angelegenheit. Morgens um sechs Uhr holte der Taxifahrer mich und Nikolai (Travel 14/2) von unserer Pension ab und es ging in Richtung Norden los. Zuerst kamen wir in Nukus vorbei, der am westlichsten gelegene Stadt in Usbekistan, von hier an wurde die Fahrt sehr öde und es ging fast nur noch durch Wüstenlandschaft. Lediglich ein einziges Mal kamen wir an einem Fluss vorbei an dessen Ufern kein Baum, kein Strauch, ja überhaupt nichts Grünes zu sehen war. Die Flüsse, die aus den Gletschern Tajikistans entspringen und sich durch Usbekistan schlängeln, versickern hier im Sand, wurde mir später mitgeteilt. So ging das etwa fünf Stunden, ehe wir in Moynaq (Muynak) angekommen waren. Eine trostlose Fischerstadt, in der es keine Fische mehr gab, weil ja der Aralsee  verschwunden war. Trotzdem wäre ich dazu bereit gewesen, alles verfügbare Geld auszugeben, um die rostenden Schiffe einmal zu sehen. Jetzt war ich da und musste dafür nur 180 Dollar bezahlen.

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Der Aralsee

Als ich eine Woche zuvor in Bukhara von einer Privatperson zu einer bezahlten Stadtrundfahrt eingeladen worden war, wurde ich zum ersten Mal auf das Benzinproblem in Usbekistan aufmerksam. Nervös schaute damals mein privater Guide auf die Tanknadel und hoffte, sein Benzin würde ausreichen, um die mit mir vereinbarten touristischen Ziele zu erreichen, während ich gleichzeitig hoffte, nicht irgendwo in der Wüste mit einem Fahrer ohne Benzin da zu stehen. An den Tankstellen hatte ich die langen Staus und die gelangweilten Leute gesehen, die hier in ihren Autos tagelang auf Kraftstoff warteten. Ein präsidiales Verständigungs-Problem trieb das Land in den Mangel an Kraftstoff, zumindest meinte das mein Guide, der mir erzählte, dass die Knappheit an Benzin immer dann entstehen würde, wenn die Präsidenten von Usbekistan und Kasachstan verstritten waren und dadurch die Quellen kasachischen Öls versiegten. Auch der Taxifahrer hatte sich auf unserer Fahrt hierher an das ausgetrocknete Ufer des Aralsees immer wieder nach Benzin umgeschaut, aber die wenigen Tankstellen auf unserem Weg waren allesamt geschlossen gewesen. Verwunderlicher Weise ging aber seine Tanknadel nicht zurück, was mir reichlich komisch vorkam.

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In der Bar

Die Hauptattraktion in Muynaq waren die vor sich hin rostenden ehemaligen Schifferboote, die nun auf dem sandigen Boden auf ihren Verfall warteten. Nachdem ich mich vor verschiedenen Booten in unterschiedlichen Posen von dem Professor und dem Taxifahrer auf Bildern verewigen habe lassen und wir anschließend noch gut eine viertel Stunde am ehemaligen Fischerhafen herum geschlendert waren, suchten wir nach einem Restaurant. So etwas gab es in dem gut 200 Kilometer weit abgelegenen Dorf mit seinen etwa 8.000 Einwohnern natürlich nicht, allerdings fanden wir ein Art Bar, in der wir etwas essen konnten. Einmal mehr wurde Manti aufgetischt, eine Art Riesen-Ravioli nur ohne Tomatengeschmack, Fisch gab es ja keinen mehr, weil der See ausgetrocknet war. Nikolai lachte herzlich, als wir unsere Getränke in auseinander gesägten Weinflaschen serviert bekamen und er hatte auch für den restlichen Aufenthalt in der Bar nur Spott und Hohn für diese Utensilien übrig gehabt. Gleich wohl es vielleicht doch nicht, wie er meinte, etwas auf modern gemachtes war, vielleicht gab es hier, wo die Sandstürme das Salz aus dem vertrockneten Aralsee über die Dörfer wehte, wirklich kein ordentliches Geschirr.

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Am Ortsschild

Nach gut zwei Stunden in Moynaq und um die Erfahrung reicher, wie es in einem ehemaligen Fischerdorf in der Wüste an einem ausgetrockneten See aussieht, entschlossen wir uns zurück nach Khiva zu fahren. Solch eine Erfahrung kann man nicht an allzu vielen Stellen auf der Welt machen, vielleicht noch in Aralsk in Kasachstan, dachte ich und war froh, hier gewesen zu sein, während ich mir gleichzeitig Sorgen um das Benzin auf der Rückfahrt machte. Es dauerte nicht lange, ehe wir, wie schon so oft auf dieser Fahrt zuvor, an einem der zahlreichen Polizeiposten anhalten mussten. Erstmals durchsuchten die grün Uniformierten mit ihren grünen Zylinderhüten das gesamte Fahrzeug. Mir fiel die riesige Gasflasche im Kofferraum unseres Taxis auf, die fast die Hälfte des Platzes einnahm. Der Taxifahrer erklärte mir auf meine Frage hin, was die Flasche im Kofferraum zu suchen hatte, dass er mit Methangas fährt, worauf ich verwundert meine Stirn runzelte. Es dauerte schließlich auch nicht mehr lange, bis wir nach der Polizeikontrolle an einer Gastankstelle anhielten, denn Gas war im Gegensatz zu Benzin überall zu haben und eine Ladung davon, die für 400 Kilometer reichte, kostete umgerechnet nur etwa zehn Dollar. Überhaupt war das gesamte Land ein einziges Gasfeld, wie ich aus einem Museum in Tashkent wusste und begriff dabei allmählich, dass ich bei der Fahrt vermutlich doch keinen guten Deal gemacht hatte.

Reiseberichte:

Travel Report 14/1: In Alma Ata
Travel Report 14/2: Wodka in Khiva
Travel Report 14/3: Am Aralsee
Travel Report 14/4: Über Samarkand nach Pandjakent
Travel Report 14/5: In den Schluchten Tadschikistans
Travel Report 14/6: Eine Nacht in Murgab
Travel Report 14/7: Hinunter zu den Uiguren

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Travel Report 14/2: Wodka in Khiva

2010, Bukhara/Khiva: Es war gegen elf Uhr morgens, als wir in dem alten Ford von der Überlandstraße in die historische Stadt Khiva abbogen und eine dichte Staubwolke aus aufgewühltem Wüstensand hinter uns her zogen. Eng gedrängt ging es auf der Rückbank des Sammeltaxis zu und wir waren froh, endlich hier angekommen zu sein. Bitterlich vermissten wir die Klimaanlage in dem Fahrzeug, die Temperatur war schon wieder auf deutlich über 30 Grad angestiegen und durch die offenen Fenster peitschte der Staub nur so über uns herein. Die letzten Stunden hatte ich mich mit Nikolai unterhalten, einem russischen Professor für Architekturgeschichte, den ich an der Sammeltaxistelle in Bukhara kennen gelernt hatte und der jetzt neben mir in dem Fahrzeug saß. Aufgrund des fehlenden Fernbusnetzes war der Überlandverkehr hier in Usbekistan mit etlichen Problemen behaftet. Freilich gab es den Personentransport mit der Bahn, doch der war sehr langsam und man wusste aufgrund der vielen Enklaven und der unklaren Grenzlinien mit den Nachbarländern nicht, wie oft man eine visumpflichtige Grenze passieren würde. In den alten Stahlwaggons war es bei über 40 Grad Temperatur auch unglaublich heiß, so dass man eine Zugfahrt nach Möglichkeit zu vermeiden suchte. Das war auch der Grund gewesen, weswegen ich von Tashkent nach Bukhara einige Tage zuvor die lächerliche Strecke von 150 Kilometern mit dem Flugzeug geflogen war, obwohl eine Fahrt mit dem Taxi im Nachhinein gesehen vermutlich weniger Aufwand gewesen wäre, denn alleine das Flugticket zu besorgen, hatte über einen halben Tag in Anspruch genommen. Nach dem ich einige Zeit in Tashkent bei 42 Grad Celcius herum geirrt war und das im Reiseführer beschriebene Büro der Usbekistan Airlines vergeblich gesucht hatte, war ich an den Flughafen gefahren und obwohl nur fünf Personen am Ticketschalter gewartet hatten, dauerte es einige Stunden, bis ich meinen Flugschein in den Händen hielt. Die Dame hinter dem Schalter benötigte für jeden Kunden etwa eine halbe Stunde zur Abfertigung, wobei viele Zettel ausgefüllt und mit Stempeln versehen werden mussten. Das Fliegen war äußerst günstig, kaum 35 Dollar, doch in usbekischer Währung war das entsprechende Geldbündel etwa drei Zentimeter dick und das musste schließlich bei jeder Transaktion durchgezählt werden.

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Khiva

Neben Taxi, Flug und Zug blieben als vierte Alternative noch die verstaubten Sammeltaxis übrig, in solch einem ich bei der Fahrt von Bukhara nach Khiva gerade eben saß. Streng genommen handelte es sich bei dieser Transportform nicht um offizielle Taxis, sondern um individuelle Fahrer, die ohnehin eine bestimmte Strecke zurück legen mussten und um sich etwas neben her zu verdienen, vor der Abfahrt an den bekannten Sammeltaxistellen auf Passagiere warteten. Alles war sehr umständlich, denn die Sammeltaxistellen lagen meist kurz außerhalb der größeren Städte direkt an der Überlandstraße, wo man auch erst mal hinkommen musste. Die Fahrer ergatterten sich hier ihre Mitfahrer und los ging es, sobald das Fahrzeug voll war. Es konnte freilich auch zu der Situation kommen, dass mehrere Fahrer in dieselbe Richtung fuhren und ihr Fahrzeug nur teilweise besetzen konnten. In solchen Fällen war es nicht unüblich, dass die Fahrer die Passagiere untereinander „verkauften“ und die dann passagierlos gewordenen Fahrer ihr Glück am kommenden Tag versuchten, denn Zeit spielte wohl eher eine untergeordnete Rolle. Man hätte sich hier natürlich auch einen Mietwagen organisieren können, doch ich bin mir sicher, man hätte spätestens nach dem dritten Polizeiposten aufgegeben und von denen gab es alle zwanzig Kilometer welche. Ich glaube nicht, dass die grün uniformierten, meist ziemlich runden Polizisten mit ihren Zylinderhüten den Schlagbaum für einen Ausländer geöffnet hätten, ehe dieser nicht zur Bezahlung eines ordentlichen Trinkgelds bereit gewesen wäre.

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Khiva

Neben dem Transport gab es eine zweite Beschwerlichkeit für den Reisenden in Usbekistan und das war alles, was mit der Versorgung von Geld zu tun hatte. Das Umtauschen von US-Dollar ging noch recht einfach von Statten, aber ich wollte nicht gleich meinen gesamten Bargeldbestand aufbrauchen und suchte nun nach Möglichkeiten, mit der Kreditkarte an Geld zu kommen. Die Geldautomaten konnte ich natürlich vergessen, seit man für jede Kleinigkeit ein ganzes Bündel an Scheinen benötigte, waren sie längst außer Betrieb gesetzt worden. Also suchte ich, erstmalig zwei Tage zuvor in Bukhara eine Bank, die mir über meine Kreditkarte eine Auszahlung tätigte. Zwei davon wurden auf den Reiseforen im Internet aufgeführt, doch die erste war geschlossen als ich sie aufsuchte und die zweite konnte ich erst gar nicht finden. Bei der Suche hatte ich mich ziemlich verlaufen und war nach etwa zwei Stunden am Stadtrand auf einem Stoppelacker gelandet, von dem aus es mir nur mit größter Mühe gelang, wieder zurück in die Innenstadt zu finden. In meiner Not hatte ich darauf hin das Postamt besucht, in dem man mir schließlich mitteilte, dass die Auszahlung von Geld auf Kreditkarte nur im Hotel Asia möglich sei, das in der Altstadt in unmittelbarer Nähe meiner Unterkunft lag. Ich musste mich eine weitere halbe Stunde durch die Hitze schleppen, ehe ich das Hotel endlich erreichte. Mir war der Hintergrund, weswegen es nur in diesem Hotel möglich war, an Geld heran zu kommen inzwischen bewusst geworden. Die Asia Hotelkette gehörte den beiden hübschen Schwestern Ghavisa und Lola Karimova, den Töchtern des usbekischen Präsidenten Islam Karimovs und solch eine Transaktion brachte Devisen. Der Portier in dem stark herunter klimatisierten vier Sterne Etablissement wies mir den Weg über zwei Wendeltreppen hinunter in einen düster beleuchteten Keller. Mit einem lauten Räuspern weckte ich die beiden jungen Damen auf, die hinter der Wechseltheke eingenickt waren und die mich darauf hin ganz verdutzt anschauten. Mit mir hatte man hier eher nicht gerechnet, schon gar nicht in der Mittagspause. Nach einigem hin und her und einigen Stempeln bekam ich schließlich ein Zertifikat und eine Plastiktüte voller Geldscheine ausbezahlt und hoffte, damit für den restlichen Aufenthalt in Usbekistan auszukommen.

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Bukhara

Mit einem dieser Geldbündel bezahlte ich jetzt den Fahrer des Sammeltaxis, der uns direkt vor den Toren der Stadt Khiva absetzte. Warum waren wir hier? Zunächst handelte es sich bei Khiva um eine sehr alte Stadt mit einer großen 2.500 jährigen Vergangenheit als Dreh- und Angelpunkt auf der Seidenstraße und mit einer ziemlich einzigartigen Architektur. Daneben wollte ich die Stadt nutzen, um an den vertrockneten Aralsee zu fahren und mir eine der größten, durch den Sozialismus verursachten Klimakatastrophen anzusehen. Doch zunächst galt es, die Pension aufzusuchen, die wir uns auf der Herfahrt im Reiseführer ausgesucht hatten, sie war nicht weit vom Stadttor entfernt. Als wir anklopften, öffnete uns ein junger Mann und bat uns in das Wohnzimmer herein, wo der Besitzer des Anwesens zu unserem Erstaunen noch beim Frühstück saß, es war immerhin schon elf Uhr. Der Tisch war reichlich gedeckt mit Gemüse, Obst, verschiedenen Fleischsorten und Schaschlik. Zu meiner Verwunderung gab es dazu Wodka und Sekt, waren wir doch in einem muslimisch geprägten Land unterwegs. Nach einer überschwänglichen Begrüßung durften wir Platz nehmen und bekamen zuerst ein Glas Wodka gereicht, dann noch eins und noch eins. Vielfach bedankte sich unser kleiner und dicklich untersetzte Vermieter für unser Eintreffen und beteuerte seine Fröhlichkeit über unsere Anwesenheit und dass er jetzt Gäste habe, mit denen er trinken konnte. Unterdessen erklärte der Professor aus Sankt Petersburg, dass wir hier zwar in einem muslimischen Land wären, es sich jedoch um Sowjet-Muslims handele und daher der der ungezügelte vormittagliche Alkoholgenuss Gang und Gebe wäre. Also tranken wir, während die Kinder unseres Vermieters hektisch damit beschäftigt waren, neue Schaschliks für uns zu braten, Gemüse aufzuschneiden und alle anderen Dinge zu tun, die dazu notwendig waren, ihre Gastfreundlichkeit auszudrücken und uns mit allem zu versorgen, was wir benötigten. Fünf Stunden und etliche Wodkas und Krimsektgläser später, es war etwa 16 Uhr, verließen wir schließlich stark angeheitert die Pension, um uns die Altstadt von Khiva anzusehen. Wir waren etwas endtäuscht, denn die 2500 Jahre alten Gebäude hatte man unsachgemäß restauriert und die gesamte Zitadelle war weit aus kleiner als angenommen. Drei Tage würde man benötigen, um sich Khiva anzusehen, vermerkte der Reiseführer, wir waren in drei Stunden damit durch, wobei wir in unserem Zustand vorsichtigerweise keine der Moscheen besuchten.

Reiseberichte:

Travel Report 14/1: In Alma Ata
Travel Report 14/2: Wodka in Khiva
Travel Report 14/3: Am Aralsee
Travel Report 14/4: Über Samarkand nach Pandjakent
Travel Report 14/5: In den Schluchten Tadschikistans
Travel Report 14/6: Eine Nacht in Murgab
Travel Report 14/7: Hinunter zu den Uiguren

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