Travel Report 5/3: Am Amazonas

1995, Brasilien: Bereits einen halben Tag vor der Abfahrt kam ich zu dem Schiff, das mich den Amazonas hinauf bringen sollte. Ich versprach mir von der frühen Ankunft, mir einen guten Platz für meine Hängematte sichern zu können und traute meinen Augen kaum, als ich sah, wie viele von ihnen schon auf dem Schiff herumbaumelten. Das Schiff war voll, dachte ich und hängte mich mitten in das Gewühl der anderen Matten hinein. Ich war ja inzwischen sehr mobil und flexibel, denn viel Gepäck führte ich nicht mehr mit mir und hatte daher auch meinen lästigen Rucksack im Hotel zurück gelassen. Ich sollte mich gewaltig irren, das Schiff war noch lange nicht voll. Unentwegt kamen weitere Menschen dazu und drängten sich auf das Mitteldeck. Die ganzen Hängematten anzubringen gelang nur, indem man sie auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich weit herunterhängen ließ. Als das Schiff ablegte sah ich neben mir einen jungen, blonden Kerl, der so gar nicht in das Bild der ganzen in ihren Hängematten schaukelnden dunkelhäutigen Gestalten passte. Es war ein Däne, der ebenfalls nach Caracas reisen musste und er hatte eine junge Brasilianerin dabei, die er zurück mit nach Europa nehmen wollte. Freudig über das Treffen machten wir uns an die Bar auf dem Deck und tranken eine Flasche Antarktika, was meinen Reiseetat von etwa 80 auf 78 Dollar dahinschmelzen ließ. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, auf dem Schiff kein Geld auszugeben, aber das war mir inzwischen egal.

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Hängematten

Im weiteren Verlauf der Fahrt stellte sich heraus, dass gut ein Dutzend englischsprechender Passagiere aus allen Teilen der Welt an Bord gewesen waren. Einer davon, ein etwa vierzigjähriger Amerikaner, der die Beiblätter seines Reisepasses wie eine Ziehharmonika herausziehen konnte, indem allein 75 Ein- und Ausreisestempel von und nach Hong Kong vermerkt waren, freundete sich ebenfalls mit uns an. Zusammen mit ihm, dem Dänen und dessen brasilianischer Freundin saß ich meist auf dem Oberdeck und schaute mir das vorbeiziehende Ufer mit seinen Bambushütten an. Der Däne wusste auch nicht so recht, wie das gehen könnte, eine Frau aus Brasilien mit nach Europa zu nehmen. Auf jeden Falls aber wusste er, dass Dänemark ein Sozialstaat ist und war guter Dinge, dass schon für sie gesorgt werden würde. Die Brasilianerin war völlig unaufgeklärt über die Verhältnisse in Europa und staunte nicht schlecht, als ich ihr erzählte, dass die Tage im Sommer sehr lang, im Winter aber sehr kurz sind und dass es guter Kleidung bedurfte, um den Winter auch durchzustehen. Hier und da trankt ich einen Schluck Cachaca von dem Amerikaner, aber nicht allzu viel, denn die Kopfschmerzen im Bus und der Anblick einiger Indios, die in der prallen Sonne aus einer zwei Liter Flasche den Schnaps am hellen Tag soffen, als wäre es Wasser, machten mir das Getränk in einem gewissen Maße zuwider. Allerdings hatte ich an den 0,75 Liter Antarktika Bierflaschen meinen Gefallen gefunden und konsumierte zwei davon am Tag, was meinen Etat täglich um vier Dollar schmälerte, so dass ich mich innerlich zunehmend auf eine Fahrt per Anhalter von Manaus nach Caracas einstellte.

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In Santarem

Etwa auf dem halben Wege nach Manaus, in einer Stadt Namens Santarem, ging das Schiff nach drei Tagen zum ersten Mal an Ufer und hielt hier für ein paar Stunden. Mir war die Sache nicht geheuer, denn ich hatte gehört, des Öfteren würde man früher starten und Passagiere zurücklassen, die anschließend mit sehr großem Aufwand und auf private Rechnung mit Motorbooten hinterher eilen mussten, um wieder an Bord zu kommen. Ich ging also nach der Hälfte der angesagten Zeit wieder zurück und beobachtete das Boot. Ich sollte Recht behalten, aus unergründlichen Umständen legten wir früher ab und zwei Israelis aus unserer Gruppe wurden zurückgelassen – ich sah sie nie wieder. Das Schauspiel, das sich ein paar Tage später vor unseren Augen abspielte, als der Rio Negro sich mit dem Rio Amazonas vereinigte, war einzigartig. Kilometer lang trieben die beiden Flüsse, der schwarze und der braune, nebeneinander her und vermengten sich nicht. Hier und dort sorgten die Süßwasserdelphine, die sporadische zu sehen waren, für Aufregung auf dem Boot. Ich genoss die Fahrt inzwischen und an den letzten beiden Tagen saß ich meisten vorne am Bug und schaute mir stundenlang die Umgebung an, wenn ich gerade nicht im Unterdeck war, um Hühnchen mit Reis zu essen. Ich kam mir vor wie in Trance von der einzigartigen an mir vorbeiziehenden unberührten Natur. Ein Zustand, der sich jedoch schlagartig änderte, als nach insgesamt sieben Tagen auf dem Amazonas die hässlichen und aufgrund des Klimas halb verrotteten Außenbezirke des Drecklochs Namens ¨Manaus¨ zu sehen waren.

Alle meine schlimmen Erwartungen an diesen Ort, der wie eine Trabantenstadt mitten im Urwald aus dem Nichts herausgestampft worden war, wurden auf negative Art und Weise unterboten. Allein schon das Klima war derart unmenschlich, dass jede Kreatur, die ihre Existenz hier fristen musste, aufrichtig zu  bemitleiden war. Es schüttete in Strömen und faustdicke Kakerlaken sprangen aus den Ritzen entlang der Kanalisation unter dem Gehweg heraus, als wären es die Ausgeburten einer unterirdischen Armee des Ekels. Ich hatte noch etwa fünfzig Dollar in brasilianischen Real in meiner Tasche und der Bus nach Caracas sollte knapp sechzig Dollar kosten, wobei ich auch noch eine Übernachtungsmöglichkeit benötigte, was aber weiter nicht schwer zu organisieren war, da ich inzwischen mit einer ganzen Gruppe an Europäern, Australiern und Amerikanern unterwegs war und sich alle, samt dem Dänen mit seiner brasilianischen Freundin in der selben Unterkunft einquartierten. Dennoch wagte ich einen kurzen Versuch, das österreichische Honorarkonsulat in Manaus aufzusuchen. Doch das kleine Häuschen, in dem es laut Reiseführer hätte sein sollen, war geschlossen. Mein dänischer Kollege schien ebenfalls wie ich knapp bei Kasse gewesen zu sein, denn ich hatte ihm versprochen, ihm im Falle eines erfolgreichen Besuchs bei der Botschaft, etwas zu leihen.

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Rio Amazonas

Als wir unverrichteter Dinge den Rückweg von dem geschlossenen und zugenagelten Honorarkonsulat in unsere Unterkunft antraten, war es zwecklos, weiterhin unsere T-Shirts anzubehalten. Der Regen war dermaßen stark, dass wir uns nackten Oberkörpers durch die Stadt bewegten und so taten, als könne uns das alles nichts anhaben. Als schließlich der Regen nachließ, zog ich zusammen mit dem Dänen und seiner brasilianische Freundin in der Stadt umher. Wir beschlossen, unser restliches Geld zusammenzulegen und einen Plan auszuarbeiten, wie wir nach Caracas kommen könnten und wie es dort weitergehen sollte. Demnach lieh mir der Däne zehn Dollar für den Bus, ich würde ihm dafür in Caracas unter die Arme greifen. Insgesamt hatten wir noch etwa 220 US Dollar in Rial, also ausreichend für drei Bustickets und es war sogar noch etwas übrig, da die Brasilianerin in der Lage war, Nahrungsmittel beinahe für umsonst zu besorgen. Wir waren uns schnell einig, der Entschluss zu dritt nach Caracas zu fahren, musste gefeiert werden. Nach zwei Flaschen Sekt inzwischen recht gut angeheitert, hatten wir uns einige Zeit später in den Hafen verlaufen. Als wir dort ein Schiff Namens ¨Westphalia¨ unter deutscher Flagge vor Anker liegen sahen, packte uns die Idee, mit diesem nach Europa zurück zu fahren, doch alles Trommeln an der Bordwand, das Geschrei und auch das Klirren der Sektflaschen, die wir an Bord warfen, half nichts. Kein Matrose, keine Kapitän ist erschienen um sich unser Anliegen anzuhören. Dennoch, die Idee der Rückreise mit einem Schiff war geboren und sollte später in Caracas noch einmal aufflammen.

Reiseberichte:

Travel Report 3/1: In den Krieg
Travel Report 3/2: Kontrolle in Trujillo
Travel Report 3/3: Am Titicaca See
Travel Report 4/1: Durch die Klimazonen
Travel Report 4/2: Am Ende der Welt
Travel Report 4/3: Zu den Christen
Travel Report 5/1: Mode und Prostitution
Travel Report 5/2: Betrunken im Bus nach Belem
Travel Report 5/3: Am Amazonas
Travel Report 6/1: Durch den Urwald
Travel Report 6/2: In Gewahrsam

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Travel Report 6/1: Durch den Urwald

1995, Venezuela: Als ich in Ciudad Guyana am Busbahnhof saß und aus einer Metalltasse, deren Herkunft mir unbekannt war, einen Schluck Aquardiente nahm, wurde mir die Aufmerksamkeit einer Gruppe von etwa zehn Venezuelanischen Soldaten zuteil. Weswegen ihre Neugierde an mir so groß war, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht deuten und machte mir hierüber auch keine Gedanken, da ich eine äußerst anstrengende Fahrt hinter mir hatte. Mich beschäftigte auch noch das Schicksal eines schwarzafrikanischen Mitreisenden im Bus, der aus dem Bürgerkriegsland Liberia über das Meer nach Brasilien geflohen war und zu seinem Bruder auf einer karibischen Insel weiterreisen wollte. Aufgrund fehlender Dokumente hatte man ihn an der Grenze verhaftet und abgeführt. Die erste Station nach Manaus war das etwa 800 Kilometer entfernte Boa Vista gewesen, wo ich den jämmerlichsten aller Jammerhunde gesehen hatte, der mir je begegnet war. Er hatte sich aufgrund der Flöhe das gesamte Fell ausgerissen und stand nun nackt mit seinen etwa drei Zentimeter aus den Tatzen herausstehenden Krallen da, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Ich hätte ihm die Gnadenkugel verpasst, wäre ich bewaffnet gewesen. Dieser negative Eindruck geriet allerdings bald in Vergessenheit als ich die ersten Kilometer durch Venezuela gefahren bin, die von herausragender Schönheit waren. Der Bus hatten den Canaima Nationalpark gestreift und ich hatte die Tafelberge in der Nähe des Salto de Ángels sehen können.

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Am Bahnhof von Ciudad Guyana

Während ich in Ciudad Guyana am Busbahnhof saß, war es erst gut einen Tag her, als der Bus mit deutlicher Verspätung in dem etwa 800 Kilometer südlicher gelegenen Boa Vista eingetroffen war. Die lange matschige Piste war mehrfach von quer stehenden Lastkraftwagen und Autos blockiert gewesen und es hatte seitens des Busfahrers große Mühe und fahrerischen Geschicks bedurft, diese Situationen mitten im verregneten und schlammigen Urwald zu meistern. Nicht nur, dass die Straße nicht asphaltiert gewesen war, in der Regel gab es auch auf vielen Kilometern keine Ausweichmöglichkeiten, wodurch sich bald Staus mit zehn bis zwanzig Lastkraftwagen und Fahrzeugen in jede Richtungen gebildet hatten und der Matsch, in den sich die Fahrzeuge eingruben, ein Vor und Zurück beinahe unmöglich machte. Bei einem dieser Vorfälle hatte ich mir die Schuhe ruiniert, als ich den Bus verlassen hatte, um mir die Situation anzusehen. Der Matsch war dermaßen zäh, dass er beim Laufen nicht abfiel, sondern ich mit jedem Schritt ein paar Zentimeter größer wurde. Unter dem Gelächter meines dänischen Kollegen und dessen brasilianischer Freundin (Travel Report 5/3), gab ich mein Vorhaben bereits nach wenigen Schritten auf und war anschließend etwa eine Stunde mit dem Putzen der Schuhe beschäftigt gewesen. Unglücklicherweise hatte sich ein Riss von etwa fünf Zentimetern an der Naht des vorderen linken Schuhs gebildet, der sich im weiteren Verlauf der Fahrt zunehmend vergrößerte. Als wir an der Venezuelanischen Grenze angekommen waren, hatte ich die Schuhe ausgezogen und war Barfuß unterwegs, wodurch ich mir eine rohe Zurechtweisung von den Grenzsoldaten eingehandelt hatte. Gut zwanzig Jahre später erfuhr ich auf Little Corn Island von einem deutschen Reiseleiter, der in Venezuela wohnte, dass die Europäer hier nicht gut gelitten waren und als stinkende und ungepflegte Menschen wahrgenommen wurden. Vielleicht war das der Grund, warum ich von dem Grenzbeamten angebrüllt wurde, als ich mit meiner zusammen geschneiderten kurzen Hose (Travel Report 5/1) und ohne Schuhe vor ihm stand.

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Durch den Urwald

Ebenso wie für den Grenzbeamten, schien ich auch für die Soldaten am Busbahnhof in Ciudad Guyana ein Objekt besonderen Interesses zu sein. Sie setzten sich im Halbkreis um mich herum und hatten viele Fragen, von denen ich die meisten nicht verstand. Mir war nicht sehr wohl bei der Situation zumute, da die Uniformierten auf mich einen recht aufdringlichen Eindruck machten. Ich war froh, als der Däne und die Brasilianerin nach einer gefühlten Ewigkeit mit den Bustickets nach Caracas zurückkamen und wir endlich den letzten Teil unserer Fahrt über die unendliche Distanz von mehr als 2.200 Kilometern antreten konnten. In Caracas übernachtete ich zunächst zusammen mit den beiden in einem Zimmer und machte mich am folgenden Tag sogleich zur Botschaft auf,  um das Geld abzuholen, das ein Bekannter aus Deutschland beim Honorarkonsulat in München einbezahlen sollte (Travel Report 5/1). Zu meinem Erstaunen wurde mir mitgeteilt, dass kein Geld vorhanden sei und man mir daher auch nichts geben würde. Die Ursache konnte in einem Telefonat mit dem Freund aus Deutschland schnell herausgefunden werden, das Honorarkonsulat in München wollte das Geld erst annehmen, wenn ich in Caracas persönlich vorstellig geworden war. Mir wurden nach dieser Nachricht ein paar Pesos ausgeliehen, bis schließlich das Geld eintreffen sollte. Ich musste mir aufgrund dieser Verzögerung ernsthafte Sorgen machen, schließlich stand das Osterfest im vor der Türe und dann war alles für ein paar Tage geschlossen. Unweit von der Botschaft lag das Büro von British Airways, indem ich meinen Flug von Bogota nach London abändern wollte, um alternativ von Caracas nach London zu fliegen. Die Umbuchung stellte ich mir zunächst recht einfach vor, da Caracas als Zwischenstopp auf dem Weg lag. Weit gefehlt, aufgrund von internationalen Bestimmungen sollte mein Vorhaben nicht ohne weiteres möglich sein, man müsse erst von London die Genehmigung für die Umbuchung einholen, wurde mir von dem höflichen Mitarbeiter der Fluggesellschaft mitgeteilt.

Reiseberichte:

Travel Report 3/1: In den Krieg
Travel Report 3/2: Kontrolle in Trujillo
Travel Report 3/3: Am Titicaca See
Travel Report 4/1: Durch die Klimazonen
Travel Report 4/2: Am Ende der Welt
Travel Report 4/3: Zu den Christen
Travel Report 5/1: Mode und Prostitution
Travel Report 5/2: Betrunken im Bus nach Belem
Travel Report 5/3: Am Amazonas
Travel Report 6/1: Durch den Urwald
Travel Report 6/2: In Gewahrsam

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Travel Report 2/6: Auf der Flucht

1994, Santa Marta/Bogota: Es blieben nur noch wenige Tage nach meiner Rückkehr aus dem Park Tayrona (Travel Report 2/5), die ich in Santa Marta verbringen wollte, ehe ich von Bogota aus meinen Heimflug antreten musste. Zu den bunten Indianern in der Salzwüste würde ich es zeitlich nicht mehr schaffen, das war inzwischen klar geworden. Von den geplanten acht Wochen hatte das Geld schließlich nur für sechs ausgereicht, trotzdem war ich mit der Reise zufrieden. Das Hotel Miramar, in dem ich untergebracht war, lag direkt am Strand von Santa Marta. Ein altes spanisches Kolonialgebäude mit Innenhof, Bar und Restaurant, ziemlich einfach und glaubte man den Gerüchten, wurde einmal pro Monat der Hotelsafe ausgeraubt. Dafür konnte man für nur einen Dollar pro Nacht ein Zimmer buchen, ein unschlagbares Preis-Leistungsverhältnis, vorausgesetzt man war nicht besonders lärmempfindlich. Im Hotel regierte ein junges Partyvolk, die Musik dröhnte bis weit in die Nacht hinein und Bier und Aquardiente flossen in Strömen. Die „härtesten“ Gäste kamen aus der Schweiz und konnten sich den Heimflug nicht mehr leisten, da sie das ganze Geld hier im Hotel für Kokain verprasst hatten. In ständiger Bedrohung der einheimischen Konkurrenz versuchten sie sich mit selbstgemachten Kettchen und Ringen, die sie am Strand verkauften, über Wasser zu halten. Viele konsumierten härtere und weniger harte illegale Substanzen und jeden Abend tanzte man bis in die späte Nacht hinein. Tagsüber war ich mit einer Gruppe angehender Ärzte aus Deutschland des Öfteren in Taganga, einem kleinen Fischerdorf in der Nähe von Santa Marta, indem angeblich der beste Fisch aus der gesamten Umgebung serviert wurde.

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Hotel Miramar

Am vorletzten Abend vor meiner geplanten Abfahrt aus Santa Marta ließ ich mich dazu hin reisen, mit zwei deutschen Aussteigern eine Runde Pfennig-Skat zu spielen, dabei hatte ich mich bei der Höhe des Einsatzes vertan, denn eigentlich spielten wir um kolumbianische Pesos. Entgegen meiner Berechnung, es wäre umgerechnet nur ein halber Pfennig Einsatz erforderlich, ging es in Wirklichkeit um zwei Pfennige pro Punkt in jeder Runde. Ich bemerkte diesen Irrtum zunächst nicht und spielte munter eine Runde nach der anderen. Hatte ich zu Beginn noch gewonnen, so sah es immer schlechter um mein Glück aus. Im Nachgang wurde mir klar, dass die beiden gezielt gegen mich gespielt hatten. Eigentlich wollte ich schon aussteigen, doch dann stand aufgrund eines verlorenen Grand-Ouvert Spiels noch eine Runde Doppelbock mit anschließendem Ramsch an. Alle drei Bockspiele und auch die drei Ramsch-Runden verlor ich haushoch und war den Kollegen am Ende über 100 Dollar schuldig. Da ich schon wieder knapp bei Kasse war und nur noch über etwa 130 Dollar für die restlichen vier Tage verfügte, konnte ich unmöglich das Geld ausbezahlen und vertröstete die beiden auf den nächsten Tag, indem ich vorgab, mir erst bei einer Bank Geld besorgen zu müssen, was jedoch aufgrund fehlender Reisechecks (Travel Report 2/4) gar nicht möglich war. Die beiden wurden ziemlich böse und beruhigten sich erst wieder, als ich mit einem Bier für jeden von der Bar zurück an den Tisch kam.

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Auf dem Monseratte in Bogota

Am kommenden Morgen packte ich meine Sachen bereits um fünf Uhr und machte mich zur Busstation auf. Gott sei Dank, dachte ich, ist noch keiner wach. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als der Bus endlich nach Bogota aufbrach. Die Fahrt sollte etliche Stunden dauern und es regnete wie aus Eimern gegossen. Unfreiwillig bereits drei Tage vor meinem Heimflug zurück in Bogota, gestaltete sich die restliche Zeit ziemlich langweilig. Aber ich hatte die erste echte Bewährungsprobe als Reisender bestanden. Um mir die Zeit zu vertreiben schaute ich im Kino Pulp Fiction in Originalvertonung an und stattete dem Hausberg Bogotas, dem Monseratte einen weiteren Besuch ab. Auf der Fahrt an den Flughafen wunderte ich mich einmal mehr über das Chaos, das den Verkehr dominierte, daran konnte man sich wohl nicht so einfach gewöhnen.

Reiseberichte:

Travel Report 2/1: Anflug auf Medellin
Travel Report 2/2: Ein paar Minuten in Cali
Travel Report 2/3: Der Trip nach Leticia
Travel Report 2/4: Die Trickbetrüger
Travel Report 2/5: Bei den Strandparadiesen
Travel Report 2/6: Auf der Flucht

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Travel Report 2/5: Bei den Strandparadiesen

1994, Karibik: Als sich das Flugzeug langsam neigte, um in die letzte Schleife bei der Landung auf San Andres einzubiegen, bot sich unter mir ein Bild dar, wie es in keinem Reisekatalog schöner hätte sein können. Der Strand war gesäumt von türkisgrünem Wasser, die Palmen  rauschten in der frischen Meeresbrise, goldgelbe Hütten lagen verstreut über der Insel und bunte Fischerboote schaukelten munter in der Brandung hin und her. Bei mir hob sich die Stimmung deutlich an und ich freute mich, in wenigen Minuten schon vor der Küste Nicaraguas auf einer kleinen Insel mit den Abmessungen von zwölf mal drei Kilometern zu sein. Schnell wurde mir aber auch wieder bewusst, als Opfer eines Trickbetrugs in Bogota nur noch über etwa zwölf Dollar am Tag zu verfügen (Travel Report 2/4). Als ich gelandet war, suchte ich die billigste Unterkunft aus dem South American Handbook auf, die von einer alten, dicken, warmherzigen Madame afrikanischer Herkunft geführt wurde. Der Preis von fünf Dollar pro Nacht für ein Zimmer war mir allerdings zu hoch, schließlich wollte ich nicht auf den Aquardiente verzichten und mietete mir daher eine Hängematte im Vorgarten der Unterkunft für umgerechnet fünfzig Cent pro Tag an.

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In San Andres

Die kommenden Tage waren von einem außerordentlich schönen Strandurlaub geprägt. San Andres war ein Paradies, wie man es nur selten vorfinden konnte. Aufgrund meiner günstigen Übernachtungsmöglichkeit und der Tatsache, mich weitgehend von Brot zu ernähren, reichte es noch für das eine oder andere Bier an der Beach-Bar. Auch wenn sich nur sehr wenige Besucher hierher verliefen, war immer etwas los und so leer der Strand auch war, zwei junge Damen aus Deutschland verweilten hier regelmäßig und lagen meistens unbedeckt unter den Palmen. Es war ein Genuss anzusehen, wie ganze Gruppen kolumbianischer Männer minutenlang starrend stehen blieben, um mit einem unverhohlenen Röntgenblick, jede Bewegung der beiden genau zu verfolgen. Mit bemerkenswerter Lässigkeit ließen sie sich begaffen, obwohl den Männern schier die Augen aus den Höhlen purzelten und zeigten dabei keinerlei Regung oder Schamgefühl. Die Rastas an der Bar verhielten sich weitaus lockerer als die vorbei eilenden Männer. Mit ihnen konnte man Tag ein Tag aus bis in die Nacht hinein feiern und wenn mein Etat für Bier aufgebraucht war, wurde ich eingeladen oder griff auf den Aquardiente zurück. So ging das etwa eine Woche lang, ehe ich den letzten meiner fünf Inlandsflüge zurück auf das Festland nach Cartagena antrat.

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Cartagena

In Cartagena erledigte ich zunächst den nervige Gang zum Honorarkonsulat, das auf der noblen Halbinsel Bocagrande lag und holte mir das Geld, welches mir aus Europa zugesandt worden war. Die wunderschöne Stadt hatte eine bewegte Vergangenheit, war sie doch unter Kanonendonner im Zeitalter der Piraten vielfachem Besitzwechsel unterworfen gewesen. Um mich ihrer historischen Bedeutung zu nähern, wanderte ich zuerst zum Fort hinauf, wo die alten Kanonen noch heute in den Himmel ragen. Gegen Mittag besuchte ich anschließend die Innenstadt, die von einem weitgehend intakten spanischen Kolonialstil geprägt war. Hier wurde ich zum ersten Mal auf den “Jugo” aufmerksam, ein Frappé-Getränk, das zusammen mit Milch, Eis und einer Frucht nach Wahl in einem Mixer zubereitet wurde. Bald hatte ich die schätzungsweise über zwanzig Variationen durchprobiert und meine zukünftige Wahl fiel nun meistens auf den Jugo de Granada (mit Granatapfel), den ich von da an mehrfach am Tag zu mir nahm. Ich wusste, dass sich die Reise langsam dem Ende zuneigen würde und wollte noch an die Karibikküste, weiter nördlich auf der Höhe der Sierra Nevada reisen. Auch hatte ich von Salzwüsten gehört, die es an der Grenze zu Venezuela geben würde, in denen man bunt gekleidete Indianer bestaunen könnte, so dass ich nach zwei oder drei Tagen mit dem Bus weiter nach Santa Marta fuhr, um dort im Hotel Miramar abzusteigen. Hier lernte ich einen jungen Schweizer kennen, mit dem ich am kommenden Tag zum Park Tayrona aufbrach, ein paradiesischer karibischer Strand, der am Fuße der Sierra Nevada de Santa Marta lag.

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Park Tayrona (kein Originalbild)

Direkt von der Küste steigt der sagenumwobene Vulkan Pico Cristobal Colon im höchsten Küstengebirge der Welt bis auf knapp 6.000 Metern in die Wolken hinauf. Hier auf dem Berg sollen sich die Marihuana Anbaugebiete Kolumbiens befinden, die Guerillas und Banditen verstecken und erst kürzlich entdeckte Indio-Stämme leben. Der am Saum des Berges angrenzende Park war zum Zeitpunkt unserer Anreise offiziell geschlossen, ein kleines Bestechungsgeld für die Wachen konnte uns jedoch schnell die Tore öffnen. In den kommenden Tagen teilten wir uns ein Stück des schönsten Strandes der Welt, den wir uns über eine Länge von gut 35 Kilometern mit nur einigen wenigen Leuten teilen mussten. Schätzungsweise gab es auf unserem Abschnitt von etwa zwei Kilometern lediglich zehn bis zwanzig Touristen, die sich von Bananen und Kokosnüssen ernährten. Dazu kamen noch eine Handvoll einheimischer Personen, deren Aufenthaltszweck ich nicht herausfinden konnte, vielleicht versteckten sie sich hier. Die von einem feinen weißen Sandstrand unterbrochenen Felsenbuchten spotteten jeder Beschreibung und stellten ein Idyll der besonderen Art dar. Als Übernachtungsmöglichkeit waren Hängematten an der einzigen Strandbar weit und breit vorhanden, hier wurde auch Bier und Brot verkauft. Neben einer Miniaturausgabe von einem Orang-Utan ähnlichen Affen, der die Touristen regelmäßig bestahl, gab es in dem Strandparadies als weiteres erwähnenswertes Lebewesen noch eine vierundzwanzigjährige bildhübsche deutsche Backpackerin, die von ihrem kolumbianischen Freund geflohen war. Mit ihr vertrieb ich mir die Zeit am Strand, obwohl sie mir damals aus meiner jugendlichen Perspektive mit neunzehn Jahren schon recht alt vorkam.

Reiseberichte:

Travel Report 2/1: Anflug auf Medellin
Travel Report 2/2: Ein paar Minuten in Cali
Travel Report 2/3: Der Trip nach Leticia
Travel Report 2/4: Die Trickbetrüger
Travel Report 2/5: Bei den Strandparadiesen
Travel Report 2/6: Auf der Flucht

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Travel Report 2/4: Die Trickbetrüger

1994, Bogota: Bereits vor meinem Ausflug nach Leticia (Travel Report 2/3) musste ich in Bogota meine Reisechecks eintauschen, allzu schnell schon hatte ich mein Bargeld aufgebraucht. Eigentlich wollte ich Amex Reisechecks mit mir führen, die Bank in meinem Heimatdorf in Deutschland hatte mir allerdings die Marke Thomas Cook angedreht. Hier in Kolumbien schienen diese Art von Checks wertlos zu sein, denn ich konnte sie auch nach mehreren Anläufen nicht an den Mann bringen. In der höchsten Not war ich darauf hin zum Amex Büro in Bogota gelaufen, was sich zu meiner großen Dankbarkeit als so hilfreich erwiesen hatte, persönlich bei einer internationalen Bank in meinem Auftrag vorzusprechen und die Checks für mich einzulösen. Da ich nun meinen gesamten Bestand auf einmal tauschen musste, reiste ich seit gut einer Woche mit einem Bündel Geld durch das Land, das sich vom Volumen her nicht mehr in der eingenähten Innentasche meiner Hose unterbringen ließ und ich sozusagen über keine Sicherheiten mehr verfügte, sollte ich bestohlen werden.

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Straßenkinder

Die städtische Struktur Bogotas ist einfach zu beschreiben. Ab dem Plaza Bolivar mit seiner großen Kolonialkirche, werden in nördlicher Richtung die Querstraßen blockweise aufsteigend gezählt. Je weiter nördlich, desto wohlhabender die Anwohner. Ich schätze so, ab der 50. Querstraße lebte man bereits in einer guten Gegend und ab der 100. schloss man sich aus Angst vor Einbrechern, Räubern und Banditen in seiner Villa ein, um allenfalls mit Begleitschutz noch das Haus zu verlassen. Als ich am Tag nach meiner Rückkehr von Leticia durch das Zentrum Bogotas schlenderte, muss ich mich etwa fünf Blöcke nördlich vom Plaza Bolivar befunden haben, um hier die unheilvolle Bekanntschaft mit einem smarten US-Amerikaner aus Puerto Rico zu machen. Er gab sich ebenfalls als Reisender zu erkennen, wir tauschten uns über unsere bisherigen Erlebnisse aus und er gab mir Tipps, wohin ich noch reisen könnte. Es verstrich etwa eine viertel Stunde, bis eine Person in Polizeiuniform auf uns zukam. Er wird uns jetzt registrieren, übersetzte mir mein Gesprächspartner, dazu müssten wir Pässe und dass Geld vorzeigen, wurde mir versichert. Anschließend sollten wir ein Zertifikat erhalten, mit dem man uns bei zukünftigen Polizeikontakten keiner Kontrolle mehr unterziehen würde. Bereitwillig streckte er dem Polizisten daraufhin sein Geld und seinen Ausweis entgegen, ich tat also dasselbe, hatte aber nur eine Kopie des Reisepasses dabei. Der Rest trug sich in Sekunden schnelle zu. Der Polizist verschwand in der Menge und der Puerto Ricaner hielt mir mit der Aufforderung, mich ruhig zu verhalten, ein Klappmesser an den Bauch, um anschließend ebenfalls langsam nach hinten in der Menge zu verschwinden. Ich war noch etwa zwei oder drei Minuten benommen, bis mir schließlich bewusst wurde, am hellen Tag und auf offener Straße ausgeraubt geworden zu sein.

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Klebstoffschnüffler

Es war schon dreizehn Uhr an diesem Freitagmittag und ich stand da, ohne jeden Cent in der Tasche, hatte keine Reisechecks mehr und aufgrund meines Argwohns gegenüber dem Hotelpersonal auch keinen Notgroschen in meinem Zimmer gelassen. Die Dollarreserven hatte ich immer zusammengefaltet und unter den Bettstützen versteckt, mit dem Peseten Bündel war das nicht mehr möglich gewesen. Ich entschloss mich, umgehend die Botschaft aufzusuchen, die etwa auf Höhe der 75. Straße lag. Da ich nunmehr kein Geld für ein Taxi hatte, holte ich meinen Pass aus dem Hotel und rannte so schnell ich konnte, denn mir war bewusst, dass die Öffnungszeiten am Freitag durchaus eingeschränkt sein konnten. Unter der Annahme, jeder Block wäre 100 Meter lang, musste ich etwa sieben Kilometer zurücklegen. Als ich die Botschaft erreichte, war es bereits 14:30 Uhr, sie sollte bis um 15:00 Uhr geöffnet sein. Verschwitzt wie ich war, klingelte ich im Sturm, bis man mir endlich Eintritt gewährte. Nach der Bestandsaufnahme und langem hin und her, hilfreich war man nicht besonders, wurden mir 1.500 österreichische Schilling in kolumbianischen Peso ausbezahlt und ein Vermerk über den Vorgang in meinen Pass eingetragen. Man verabschiedete mich noch mit einer Warnung, mir nie mehr einen Groschen Unterstützung zu geben, sollte ich die geliehenen Pesos nicht bald wieder zurückbezahlen. Zudem wurden Angehörige in Deutschland telefonisch kontaktiert und dazu aufgefordert, bei dem österreichischen Generalkonsulat in München ausreichend Geld für den Rest meiner Reise einzubezahlen, das ich am Honorarkonsulat in Cartagena de los Indios abholen sollte. Cartagena lag aber noch weit entfernt in meinen Reiseplänen, denn zunächst wollte ich die beiden kleinen kolumbianischen Inselparadiese San Andres und Providencia besuchen. Umgerechnet blieben mir gut zwölf Dollar am Tag, um diese Pläne zu verwirklichen.

Eintrag im Reisepass

Eintrag im Reisepass

Reiseberichte:

Travel Report 2/1: Anflug auf Medellin
Travel Report 2/2: Ein paar Minuten in Cali
Travel Report 2/3: Der Trip nach Leticia
Travel Report 2/4: Die Trickbetrüger
Travel Report 2/5: Bei den Strandparadiesen
Travel Report 2/6: Auf der Flucht

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Travel Report 2/3: Der Trip nach Leticia

1994, Amazonasgebiet: Die Busfahrt von San Augustin nach Bogota dauerte einige Stunden, hier sollte ich aufgrund einer großen Dummheit mein erstes Lehrgeld als unerfahrener Reisender bezahlen. Unachtsam hatte ich meinen Rucksack zu dem anderen Gepäck in den hinteren Teil des Buses geschmissen und das Kamera Equipment befand sich zusammen mit zwei Objektiven direkt unter dem Verschluss meines Rucksacks, wo es durch Abtasten von außen einfach als solches identifiziert werden konnte, weil es in einer großen, sperrigen Kameratasche untergebracht war. Natürlich hatte man die Ausrüstung bald gestohlen, was ich noch während der Busfahrt bemerkte. Doch was sollte ich ohne Spanischkenntnisse und ohne Beweise über die Existenz des Fotoapparates tun? Als einer der Passagier ausstieg und ich vom Busfenster hinaus auf die Straße blickte, sah ich ihn lauthals lachend davon laufen. Ich kam mir schlecht vor, sicherlich war er es, der meine Kamera gestohlen hatte und ich war zu feige gewesen, das dem Busfahrer klar zu machen, da ich mir keinen Ärger einfangen und mich nicht auffällig verhalten wollte. Es dauerte aber nicht lange, da war ich wieder guter Dinge, schließlich hatte ich noch die kleine Kompaktkamera bei mir und Bilder machen war mir ohnehin nicht so wichtig. In Bogota angekommen, nahm ich ein ziemlich ungünstig gelegenes Hotel in der Nähe der Seilbahn zum Monserrate, dem Hausberg der Stadt. Die gesamte Nacht über hörte ich laute Musik und andere Geräusche. Unter meinem Zimmer musste sich eine Disco und darüber ein Bordell befunden haben.

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In Leticia

Als ich am kommenden Tag den Flughafen in Bogota erreichte, regnete es stark. Ich löste ein Inlands-Flugticket in die Llanos, einer weitläufigen Weidelandschaft im Orinoco Tal, die im mittleren Osten Kolumbiens lag und wo ich die Gauchos sehen wollte. Nach etwa 45 Minuten Flugzeit beschlich mich das Gefühl, dass wir uns im Kreis drehten und das Flugzeug wieder nach Bogota umkehrte. Eine weitere halbe Stunde später erblickte ich unter mir einen Flughafen und rätselte, ob ich jetzt doch in Villavicencio oder wieder in Bogota angekommen war. Die Enttäuschung ließ nicht lange auf sich warten, denn die Rückkehr nach Bogota hatte sich bald bestätigt, da in den Llanos zu dieser Jahreszeit die Regenperiode in vollem Gange gewesen ist und eine Landung aufgrund der überschwemmten Landebahn nicht möglich gewesen war. Zunächst stand ich etwas desorientiert auf dem Flughafen herum und wusste nicht, was zu tun war. Zurück in die Stadt? Mit dem Bus in Richtung Karibik? Oder ganz woanders hin? Am Avianca Schalter klärte man mich über eine Flugmöglichkeit nach Leticia auf. Warum nicht an den Amazonas fliegen, dachte ich, und löste das dritte meiner insgesamt fünf Inlandstickets.

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Im Hotel

Die Landebahn in Leticia war eine Wiese mit angrenzender Holzhütte. Diesen Komplex als Flughafen zu bezeichnen, hätte der Situation gespottet, dementsprechend klein war auch das Propeller-Flugzeug, mit dem ich angereist war. Es war ein phänomenaler Flug gewesen, von dem aus atemberaubende Blicke über die „grüne Hölle“ möglich gewesen waren, die sich wie ein weiter Ozean bis zum Horizont ausgedehnt hatte. Immer wieder streiften wir an zylinderförmigen Wolken vorbei, unter denen sich Regenbogen gebildet hatten. Leticia mit seinen gut 20.000 Einwohnern lag direkt am Amazonas, die Luft war feucht und heiß, der Sonnenschein wurde in kurzen Pausen von strömendem Regen unterbrochen. Den gesamten Tag war man ich in Schweiß gebadet und nicht einmal die dunklen Räume meiner Unterkunft boten etwas Abkühlung. Auch wenn der Ventilator mit lautem rattern alles unternahm, um einen Lufthauch durch das Zimmer zu blasen, in den Genuss wahrer Kälte konnte man einzig in dem Supermarkt um die Ecke kommen, in dem die Klimaanlage die Temperatur derart nach unten versetzte, dass man aufpassen musste, sich keine Erkältung einzufangen. Die Hitze konnte mir allerdings wenig anhaben, denn die laute Reggae Musik, die regelmäßig aus dem Nachbarzimmer dröhnte und der Aquardiente sorgten für gute Stimmung und insgesamt fühlte sich alles sehr abenteuerlich an.

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Urwaldtour

In den kommenden Tagen unternahm ich einige Ausflüge in die Umgebung, was mit den kleinen Booten diverser lokaler Reiseveranstalter auf dem Amazonas möglich war. Die beliebteste Tour war das Krokodile fangen, in dem die Guides, wahrscheinlich waren es nur Fischer, kleinere Kaimane packten und aus dem Wasser zogen. Nach einer Begutachtung derselben durch die aufgeregten Teilnehmer der Bootsausfahrt, wurden die Tiere wieder zurück in den Fluss geworfen. Auf einer Affeninsel lernte ich bei einem dieser Trips eine Familie aus Deutschland kennen, die mit Bekannten von mir aus meinem Heimatdorf befreundet war. Der Vater, ein Lehrer, wohnte bereits seit vielen Jahren in Kolumbien und unterrichtete an der Deutschen Schule in Medellin. Er ließ sich nicht so einfach über den Tisch ziehen, wie das die normalen Touristen in Kolumbien taten. Als man uns in einem Lokal die doppelte Menge an Bier in Rechnung stellen wollte, wie wir tatsächlich getrunken hatten, führten sein gutes Spanisch und seine aufbrausende Art dazu, dass der Kellner umgehend die Korrektur seines listigen Vorhabens einleitete. Es muss der dritte Tag meines Aufenthalts in Leticia gewesen sein, an dem ich zusammen mit der deutschen Familie einen Urwald-Ausflug unternahm. Mit kleinen Holzbooten fuhren wir zu einem angeblich weitgehend von der Zivilisation unberührten Dorf und starteten eine Trekking Tour, die uns durch dichtes Unterholz führen sollte. Eigentlich waren für die Urwaldbegehung nur drei Stunden eingeplant, doch als ich anfing den Veranstalter zu verfluchen, waren schon fünf Stunden vergangen. Schließlich war die Hitze kaum zu ertragen und immer wieder verfingen sich Insekten aller Art in meinen Haaren. Man wollte es uns wohl sehr abenteuerlich machen, dachte ich und war mir gleichzeitig nicht sicher, ob wir nur im Kreis um das Dorf herumliefen. Als wir eine weitere Stunde später endlich wieder die kleine Indianersiedlung sahen, rannte ich zu einer Plastiktonne voll mit Regenwasser und trank die abgestandene warme Brühe. Die Eingeborenen hatten sich im Kreis um mich herum gesammelt und staunten nicht schlecht über den unglaublich großen Leichtsinn, der glücklicherweise keine ernsthaften Konsequenzen in Form dadurch ausgelöster, diverser möglicher Krankheiten, nach sich zog.

Reiseberichte:

Travel Report 2/1: Anflug auf Medellin
Travel Report 2/2: Ein paar Minuten in Cali
Travel Report 2/3: Der Trip nach Leticia
Travel Report 2/4: Die Trickbetrüger
Travel Report 2/5: Bei den Strandparadiesen
Travel Report 2/6: Auf der Flucht

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Travel Report 2/2: Ein paar Minuten in Cali

1994, Cali/Popayan: Nachdem ich mich einige Tage in Medellin aufgehalten hatte, was wie ich feststellen musste, eine wunderbare Stadt war, in der das gesamte Jahr über ein frühlinghaftes Klima vorherrschte, flog ich weiter in das südlich gelegene Cali. Von dieser Stadt wusste ich nicht viel, nur dass es hier eine weltbekannte Assoziation von Drogenhändlern  gab, die das „Cali-Kartell“ genannt wurden. Kaum hatte ich die Stadt vom Flughafen aus mit dem Taxi erreicht, waren Schüsse aus einem Laden etwa 100 Meter vor meinem Taxi zu hören. Kurz darauf sprangen zwei maskierte Männer auf die Straße und rauschen von einer Staubwolke umgeben auf dem Motorrad davon. Ich gab dem Taxifahrer zu verstehen, er solle mich sofort zum Bus-Terminal fahren, denn binnen weniger Minuten hatte ich erkannt, dass diese Stadt nichts ist für mich war und ich hier keine Minute länger bleiben wollte. Am Busterminal löste ich ein Ticket in das 150 Kilometer südlich gelegene Popayan, schließlich wusste ich aus dem Reiseführer, dass diese Stadt neben Cartagena der einzig wirklich sichere Ort Kolumbiens in der damaligen Zeit war.

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In Popayan

Als ich drei Stunden später in Popayan angekommen war, hatte es längst zu regnen angefangen. Es war „Semana Santa“ im Jahre 1994 und ich suchte mit zunehmender Verärgerung nach einer Übernachtungsmöglichkeit, aber alle Hotels und Unterkünfte schienen ausgebucht zu sein. Wie ich später erfuhr war Popayan schlechthin das Hauptreiseziel Kolumbiens in der Osterzeit, weil es hier die größte Osterprozession gab. Inzwischen zeitlos geworden, war mir die Heilige Woche, in der die vielen Kolumbianer hierher pilgerten, gar nicht bewusst gewesen. Nach langem Suchen bot mir eine Pension ein Zimmer an, das ich aber zunächst ablehnte. Zehn Dollar sollte ich für ein Holzbrett bezahlen, auf dem eine Decke lag. Eine Dusche gab es nicht und als einzige Waschmöglichkeit war außerhalb des Zimmers ein Wasserhahn angebracht, der etwa einen Meter über dem Boden aus der Wand ragte.  Nach zwei weiteren zermürbenden Stunden im Regen ohne Erfolgsaussichten auf eine Unterkunft, kehrte ich zu der Pension zurück und nahm das Zimmer, wobei der Preis inzwischen von zehn auf zwanzig Dollar angestiegen war.

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In San Augustin

Die folgenden Tage waren von einer äußerst positiven Atmosphäre geprägt. Zunächst hatte ich eine weitaus bessere Pension gefunden, in der mir zwei riesige zusammenhängende Zimmer vermietet wurden. Der Sohn des Eigentümers war genau auf meiner Wellenlänge, mit ihm und seinen Kumpels, die ein wenig Englisch sprechen konnten, trank ich Aqardiente und hörte laute Rockmusik. Die Stunde des „Aquardiente Antioqueno“ war geboren, das Getränk sollte von diesem Zeitpunkt an im weiteren Verlauf der Reise mein Favorit werden, wenn es um hochprozentiges ging. Es handelte sich dabei um einen Anisschnaps der mit einem Alkoholgehalt von gut dreißig Prozent unverdünnt bestens genießbar war. Die koloniale Architektur und die umliegenden Berge Popayans, in die ich mehrfach Ausflüge unternahm, faszinierten mich. Jeden Tag schien, von wenigen Regenschauern unterbrochen, die Sonne, so auch an dem Tag als ich die wieder Stadt verließ und nach San Augustin weiter reiste. Die Strecke dauerte einige Stunden mit dem Bus und führte über hochgelegene Nebelwälder. Das Auswärtige Amt hatte aufgrund von Guerillatruppen, die in diesem Gebiet ihr Unwesen treiben sollten, vor der Fahrt gewarnt. Guerilleros waren in der Tat nicht zu unterschätzen, schließlich stellte bei ihnen die Entführung von Touristen eine der Haupteinnahmequellen dar. Es gab drei unterschiedliche Arten über das Land verteilt. Zum einen rein politisch orientierte linksextreme Aktivisten, die lediglich Handzettel in den Bussen verteilten und diesen mit Parolen vollschmierten. Ihr Ansinnen war es, Kolumbien in eine kommunistisch marxistische Zukunft zu führen. Zweitens solche, die den Fahrer nebenbei noch um sein Geld erleichterten und drittens reine Banditen, die neben dem Busfahrer zudem die Reisenden um ihr Geld brachten. Meine Überfahrt verlief mit Ausnahme einer Reifenpanne des Busses allerdings ohne Probleme und die einzige Gefahr schien von den Geröllmassen auszugehen, die hier und dort von den steilen Hängen hinab rutschten.

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Der Archäologische Park

Das kleine Städtchen San Augustin lag in einer idyllischen Umgebung, begrenzt von weitläufigen, mit Hügeln gesäumten Landschaften und war für seine Fundstätten historischer Indio-Relikte berühmt. Kaum angekommen, freundete ich mich mit einer Gruppe von Neo-Hippies aus meiner Pension an, die in den umliegenden Hügeln allabendlich rauschende Partys veranstalteten. Ich pendelte zwischen den Feierlichkeiten der Party-Gesellschaft und zwischen einer Bar im Zentrum hin und her, in der mir allabendlich von den attraktiven heimischen jungen Damen eindeutige Angebote gemacht wurden. Spanisch lernen hieß dass dann verklausuliert, doch in echt ging es darum, sich einen Reisenden anzulachen, der mit finanzieller Unterstützung der Familie etwas unter die Arme griff. Die restlos überfüllten Busse, die vom Marktplatz aus in die Nachbarortschaften fuhren, nutzte ich für Ausflüge in die Umgebung, wo einem den Gerüchten nach angeblich innere Organe entfernt werden würden, sollte man dort in einer Bar ein mit Ko-Tropfen versetztes Getränk zu sich nehmen. Als ich nach mehreren Tagen keinen Gefallen mehr an San Augustin fand, machte ich mich mit dem Bus nach Bogota auf. Ich hatte ein Paket mit fünf Inlandsflügen gebucht, von denen ich erst einen aufgebraucht hatte und wollte nun in die Llanos fliegen, um mir dort die Gauchos mit ihren Rinderherden anzusehen.

Reiseberichte:

Travel Report 2/1: Anflug auf Medellin
Travel Report 2/2: Ein paar Minuten in Cali
Travel Report 2/3: Der Trip nach Leticia
Travel Report 2/4: Die Trickbetrüger
Travel Report 2/5: Bei den Strandparadiesen
Travel Report 2/6: Auf der Flucht

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Travel Report 2/1: Anflug auf Medellin

1994, Bogota/Medellin: Mir war nicht gut zumute, als sich das Flugzeug immer weiter hinab auf die Landebahn senkte und die kleinen Bauernhöfe in den satten grünen Hügeln an Größe gewannen. In den letzten Stunden im Flugzeug hatte ich einige Brocken Spanisch gelernt, Zahlen, einige Wörter, wichtige Phrasen, viel konnte ich nicht und jetzt, da es zunehmend ernst wurde, war ich mir nicht mehr sicher, ob das ausreichen würde, um mich in Kolumbien zu verständigen. Abgesehen von einem kurzen Trip nach Los Angeles ein halbes Jahr zuvor (Travel Report 1), war dies mein erster Aufenthalt außerhalb von Europas sicherem Hafen und gleich steuerte ich die Stadt des ewigen Frühlings an, in der die Drogenbarone unlängst noch ihr Unwesen getrieben haben. Um Medellin zu erreichen, musste ich von Stuttgart über London nach Caracas fliegen, anschließend weiter nach Bogota, dort das Flugzeug wechseln und den letzten Teil der Strecke mit einem Inlandsflug der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca überbrücken. Auf dieser Reise gab es weder Plan noch Ziel, ihre zeitliche Begrenzung sollte lediglich von der Geschwindigkeit abhängen, mit der ich meine finanziellen Mittel aufbrauchen würden, auch wusste ich nicht viel über das Land, hatte aber viel schlechtes gehört. Als ich in Bogota angekommen war, nahm ich ein Taxi vom internationalen Flughafen zum Inlands-Terminal, wobei ich darauf achtete, dass es offiziell registriert war, schließlich sollte es hier nicht ganz ungefährlich sein, hatte man mir gesagt, daher störte es mich auch, dass ich erst nach Einbruch der Dunkelheit in Medellin ankommen sollte. Wir fuhren kreuz und quer durch die Straßen, bis wir endlich das nationale Terminal erreichten und schon war ich auf einen Trick hereingefallen, was mir erst einige Wochen später auffiel, als ich bei einem erneuten Zwischenstopp sah, dass beide Terminals in Sichtweite voneinander entfernt lagen.

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Das Flugticket

Bloß nicht in ein Collectivo (Sammeltaxi) einsteigen, wurde im Reiseführer geschrieben! Es war stockdunkel, als ich in Medellin den Flughafen verließ und weit und breit war kein Auto zu sehen, außer ein Taxi mit bereits angelassenem Motor. Ehe ich mich richtig umgesehen hatte, saß ich auch schon auf der Rückbank des Wagens und die anderen Passagiere im Fahrzeug schienen nur auf mich gewartet zu haben. In einem irren Tempo ging es los, ich bekam das beklemmende Gefühl, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen könnte. Wir fuhren eine dunkle Serpentinenstraße hinauf, von einer Stadt war weit und breit nichts zu sehen. War ich bereits am Abend meiner Ankunft ein Entführungsopfer geworden? Hier könnte man mit mir tun und lassen, was man wollte, fuhr es mir in den Kopf. Die Fahrt war sehr gewöhnungsbedürftig, der Fahrer fuhr mit großer Geschwindigkeit und die Überholmanöver bei den vereinzelt auftauchenden Fahrzeugen waren halsbrecherisch. Nach gut einer viertel Stunde atmete ich auf, als plötzlich ein hell erleuchtet Meer unter uns zu sehen war. Wir brausten die Serpentinen hinunter und als wir im Zentrum ankamen, verließen die anderen Passagiere nach und nach das Fahrzeug. Ich war der letzte im Wagen, mein Hotel schien in einer schlechten Gegend zu liegen, um uns herum gab es vielfach kleine Holzhütten, deren Verwendungszweck ich nicht erkennen konnte. Stockdunkel war die Umgebung und hier und dort sah man ein paar verlumpte Gestalten um die Häuser schleichen. Als ich das Hotel erblickte, traute ich meinen Augen nicht, die Eingangstüre war mit einer massiven eisernen Kette verriegelt und das gesamte Gebäude zeugte nicht davon, ein Hotel zu sein. Der deutsche Reiseführer hatte mich auf den Leim geführt und alle telefonischen Versuche zur Reservierung eines Zimmers, waren an der spanisch sprechenden Telefonverbindungsstelle bereits im Vorfeld gescheitert.

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In Medellin

Hier werde ich nicht aussteigen, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Eine handvoll spanischer Wörter hatte ich ja im Flugzeug gelernt, zum Beispiel das Wort „barato“ für billig. Als der Taxifahrer mich rausschmeißen wollte, wehrte ich mich mit Händen und Füßen und gab ihm wild gestikulierend zu verstehen, er solle mich in ein billiges Hotel in der Nähe bringen. Billig musste alles sein, denn je weniger Geld ich ausgab, desto länger konnte ich bleiben, was mich mein Aufenthalt in Los Angeles einige Monate zuvor gelehrt hatte. Damals musste ich bereits nach zwei Wochen wieder abreisen, da das ganze Geld in der kurzen Zeit aufgebraucht war. Endlich verstand er und brachte mich in ein Hotel, das umgerechnet sieben Dollar die Nacht kostete. Wenn ich nur zwanzig Dollar am Tag ausgab, so mein Plan, konnte ich zwei Monate in Kolumbien bleiben. An der Rezeption angekommen brachte ich meinen einzigen zusammenhängenden spanischen Satz hervor: „tiene usted un habitacion“ – „haben Sie ein Zimmer“. Meine Frage wurde bejaht und ich buchte mich für drei Nächte ein. Als ich im Zimmer angekommen war, wollte ein Angestellter des Hotels noch Geld für irgendwas. Unbeholfen zog ich einen Schein aus der eingenähten Innentasche meiner Hose hervor, so dass man gleich erkennen konnte, wo bei mir etwas zu holen war. Ich nahm mir danach vor, nicht mehr so stümperhaft zu agieren und sank müde von den Strapazen der Anreise in mein Bett. Als ich am kommenden Morgen aufwachte, schien die Sonne hell durch die Ritzen des Fensterladens. Ich wagte einen Blick auf die Straße, die voller bunt gekleideter Menschen und kleinen Verkaufsbuden war. Jetzt bin ich also in Medellin angekommen, musste mich der Situation stellen und mich alsbald in die Öffentlichkeit begeben. Zwar gab es hier den berühmten Drogenboss Pablo Escobar nicht mehr doch angeblich verunsicherten immer noch über 3.000 Mordbuben die Straßen.

Reiseberichte:

Travel Report 2/1: Anflug auf Medellin
Travel Report 2/2: Ein paar Minuten in Cali
Travel Report 2/3: Der Trip nach Leticia
Travel Report 2/4: Die Trickbetrüger
Travel Report 2/5: Bei den Strandparadiesen
Travel Report 2/6: Auf der Flucht

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Travel Report 17/6: In Nord Korea

In Nordkorea

In Nordkorea

2012: Vielfach  konnte man in der letzten Zeit in den renommierten deutschen Nachrichten- und Wirtschaftsmagazinen von todesmutigen Berichterstattern lesen, die den Reportagen zufolge in geheimer Mission durch Nordkorea reisten, um dort zu recherchieren und aus dem Land unter angeblich lebensbedrohlichen Umständen Fotografien herauszuschmuggeln. Ich befand mich nun seit drei Tagen ganz offiziell in Pyongyang und in der Umgebung der Stadt, dabei hatte ich bereits über 100 Bilder aufgenommen, jetzt stand ich in der U-Bahn mitten im Gewühl der Reisenden und fotografierte in aller Öffentlichkeit und in aller Ruhe. Das einzige was mir verwehrte wurde, war die Aufnahme von Fotos mit einer GPS Kamera, ansonsten durfte ich allerorts und zu jeder Zeit nach Belieben meine Bilder machen. Ja, meine Aufpasser und Begleiter von der nordkoreanischen Tourismusbehörde animierten mich gerade dazu. Unter vielen anderen Beweisen, die ich in langen Jahren der Reise bereits eingesammelt hatte, war dies ein weiterer Beweis für die oberflächlich recherchierte und wahrheitsverfälschende Darstellung der Gegebenheiten im Ausland durch die Medien in Deutschland.

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Airang Festspiele

Der Surrealismus gebar schon viele skurrile Gebilde und, so scheint es, auch Nordkorea gehört dazu. Handelt es sich bei diesem Land eher um eine Diktatur oder eher um eine Sekte? Mit einer Kleingruppe war ich von Peking eingeflogen. Als man uns vom Flughafen in die Stadt transportierte, jubelten uns am Straßenrand unzählige glückliche Kinder in Uniformen zu. Ob sie hier immer jubelten, wenn Fremde kamen, muss an dieser Stelle unbeantwortet bleiben. Zwei Tage später, als wir in dem Minibus der nordkoreanischen Tourismusbehörde durch Pyongyang fuhren, begrenzten  jubelnde Menschen in Feiertracht den Straßenrand und warfen Blumen vor unserem Bus. Ein Reisegruppenmitglied sprang getrieben von dem Ereignis auf und fragte, ob das alles für uns gedacht sei. Eine Antwort darauf wurde ihm von den hübschen nordkoreanischen Begleiterinnen verwehrt. Ganz abwegig war sein Gedanke nicht, denn was hier echt und was hier falsch war, konnte man kaum unterscheiden. Am Tag zuvor hatten wir in einem der größten Stadien der Welt, welches angeblich 150.000 Menschen fasst, die Arriang-Festspiele angesehen.  Wir, das waren auf der Haupttribüne die Teilnehmer einiger Reisegruppen, eine Handvoll sonstiger Leute aus dem Westen und im VIP-Bereich ein paar chinesische Staatsbürger, ich schätze so etwa 150 Personen alles in allem. Rechts und links waren die Ränge mit tausenden jungen Soldaten aufgefüllt und auf der Gegentribüne nahmen 30.000 Kinder Platz ein, um mit passenden Choreografien den Spielen in der Arena mehr Glanz zu verleihen. Insgesamt stellten 100.000 Schauspieler, Choreografisten und Tänzerinnen ihr Können für die 150 devisenbringenden Gäste unter Beweis, die Show war einzigartig, monumental und groß.

Blick vom Hotel

Blick vom Hotel

Morgens hörte ich aus verschiedenen Teilen der Stadt kommunistisch anmutende Gesänge und Lautsprecherdurchsagen in den 34. Stock meines Hotelzimmers dringen, dem angeblich einzigen Hotel in der Stadt für Ausländer (es sind wohl zwei). Da die Besucher meist aus China kamen, wurde auch ein Casino im Keller betrieben. Im 54. Stockwerk drehte sich das hoteleigene Restaurant von dem aus ich einen phänomenalen Blick über die Stadt werfen konnte. Hier verbrachte ich abends auch den wesentlichen Teil meiner Zeit mit meinen zwei Begleitern, einem österreichischen und einem bayrischen Softwareentwickler, die in Peking und Shanghai Ego-Shooter programmierten. Beide waren schon dermaßen lange von zu Haus fort, dass Sie bereits jahrelang installierte politische und soziale Neuerungen und Veränderungen nicht kannten.

Am Mandae

Am Mandae

Die täglichen Ausflüge wurden von der nordkoreanischen Tourismusbehörde durchgeführt. Am dritten Tag des Aufenthalts fuhren wird zum Manuade an den Monumentenplatz, an dem die beiden überdimensionierten Statuen Kim II Sungs und Kim Jong Ils aus Bronze in den Himmel ragten. Ganz im Gegensatz zu dem üblichen Gewühl auf öffentlichen Plätzen in großen Städten ging es hier geordnet zu. Die einzige Aufgabe der Besucher des Platzes war es, einen Blumenstrauß zu Ehren der beiden verstorbenen Diktatoren niederzulegen. Mit Spannung konnte man beobachten, wie einzelne Personen, kleinere und größere Gruppen bis hin zu ganzen Schwadronen uniformiert gekleideter Männer diese Huldigungs-Zeremonie vollführten. Ein Teil des Erziehungsprogramms sei das, dachte ich, das jeder Nordkoreaner in immer währendem Zyklus zu durchlaufen hatte. Spätestens am dritten Tag kam ich mir ebenfalls so vor, als würde man mich einem Erziehungsprogramm unterziehen. Deutlich vor Augen geführt wurde mir das, als wir das hübsch restaurierte Familienanwesen der Diktatorenfamilie, ein typisches Bauernhaus auf dem Land besuchten und man uns hier in den höchsten Tönen über die Errungenschaften der Kims belehrte.

Kims Elternhaus

Kims Elternhaus

Die Kaufläden der Stadt durften wir genauso wenig betreten, wie es nicht möglich war, Kontakt mit der Bevölkerung aufzunehmen. Von außen  konnten wir aber sehen, dass nur eine Handvoll Produkte für den potenziellen Kunden bereit standen. Das Bier war Flaschenweise einzeln der Länge nach in Reih und Glied wie Zinnsoldaten in den Regalen aufgestellt, alle halbe Meter eine Flasche, insgesamt vielleicht eine Kiste pro Laden. Aber was spielte das schon für eine Rolle in einem Land, in dem die Bürger weder über Geld noch über Eigentum verfügen und es somit auch keine Kunden gab? Als am letzten Abend unseres Kurztrips die Nacht herein brach, hatten wir von unserer erhobenen Sitzposition im Bus einen guten Einblick in die beleuchteten Wohnzimmer am Rand der Straße. Meist thronten die Bilder der Diktatoren in verschiedenen Varianten, Farben und Größen über den Familien. Die Fahrt ging langsam voran und das Gerücht, es gäbe hier keinen Verkehr, erwies sich als Irrtum. Zwar war der für eine Stadt dieser Größe ziemlich dünn, aber man konnte, wie es bei unserer Fahrt in diesem Moment der Fall war, dennoch verschiedentlich auf Hauptverkehrsadern stoßen, bei der sich Rückstaus bildeten. Somit war auch das mit spöttischen Kommentaren versehene Bild eines deutschen Magazins relativiert, welches kurz vor meinem Trip hierher eine einsame Politesse in Pyongyang auf einer leeren Straße zeigte.

Travel Report 14/6: Eine Nacht in Murgab

2010, Pamir-Gebirge: Nur einen Steinwurf von der afghanischen Grenze entfernt liegt Khorog, die Hauptstadt der autonomen Pamir-Region im östlichen Teil Tajikistans, in der ich einen drei tägigen Zwischenstopp einlegte. Bei niedrigem Pegel des Grenzflusses konnte man zu bestimmten Jahreszeiten von hier aus ohne Probleme mit dem Auto in das umkämpfte Nachbarland hinüberfahren und die Afghanen fuhren hin und wieder herüber, um sich auf dem Markt mit westlichen Produkten einzudecken. Zu dem Zeitpunkt, als ich mich hier aufgehalten habe, führte der Fluss allerdings zu viel Wasser für eine Grenzüberschreitung. Ich war auch gar nicht vor Ort, um nach Afghanistan weiter zu reisen, vielmehr fuhren in Khorog die Geländewagen nach Murgab ab. Die Fahrt sollte etwa sechs Stunden dauern und durch das Pamir-Gebirge führen, welches auch als das Dach der Welt bezeichnet wird und das einst schon Marco Polo überwinden musste, um nach China zu gelangen. Als wir an diesem frischen Morgen genügend Mitfahrer eingesammelt hatten und in die Berge los fuhren, war es bereits zehn Uhr. Meine Hektik am frühen Morgen aufgrund der Sorge, das Taxi zu verpassen, hatte dazu geführt, dass ich nun seit Stunden am Warten war und die meiste Zeit gelangweilt am Straßenrand saß. Berg-Badachschan war eine andere Bezeichnung für die Gegend um Khorog herum, ein Vielvölkergebiet zusammengewürfelt aus verschiedenen Ethnien und Kulturen. Man spricht hier viele Sprachen, Russisch, Tajikisch, Persisch und da überall Kirgisen leben, auch Kirgisisch. Dazu kommen eigene Pamir-Dialekte und in den verstreuten Tälern noch jeweils unterschiedliche Varianten aus dem Alt-Persischen, die außerhalb der jeweiligen Enklaven heutzutage angeblich niemand mehr versteht. Selbstverständlich sprach keiner Englisch, so dass ich auf der Fahrt mit den anderen Passagieren nicht kommunizierten konnte, sowieso versuchte ich mich auf der gesamten Reise mehr recht als schlecht, mit meinem Russisch-Wörterbuch über Wasser zu halten. Die vielen Varianten der kyrillischen Schrift stellten jedoch oftmals ein unüberwindbares Hindernis dar.

10-9 Stutenmilchküche

Die Stutenmilchküche

Nach etwa drei Stunden Fahrt wurde die erste Pause eingelegt. Raststätten und Tankstellen gab es hier, wo vielleicht zwei bis drei Fahrzeuge am Tag vorbei kamen, natürlich nicht, denn in der gesamten Region leben nur eine Handvoll  Menschen. Wir kehrten bei Bekannten des Fahrers ein und bekamen beinahe für umsonst das Nationalgetränk Tajikistans gereicht. Es handelte sich dabei um ein salziges, mit Fett versetztes Stutenmilch-Getränk, in das man Brot zum Essen eintunkte und das für meinen Magen eher ungeeignet  war. Um ehrlich zu sein, ich fand die Mahlzeit widerlich. Die übrigen Stunden der Fahrt bewegten wir uns stetig weiter ins Gebirge hinauf, zwischenzeitlich auf den knapp 4.700 Meter hohen Ak-Baital Pass, der zweithöchste der Welt, den wir in unserem kleinen 4×4 Minibus überwinden mussten. Zu meinem Verdruss schlug das Wetter auf der Hälfte der Fahrt um, es wurde regnerisch und als wir schließlich in Murgab eintrafen war es bereits recht düster. Meine Pension, angeblich die beste in Murgab, konnte mir nur für eine Nacht eine Unterkunft zur Verfügung stellen, am folgenden Tag sollte eine Trekking-Gruppe vorbei kommen und das Gästehaus vollständig besetzen. Mein Plan war es eigentlich, hier für mindestens vier Tage zu bleiben, um in die umliegenden Berge zu wandern und so machte ich mich noch am selben Abend auf die Suche nach einer weiteren Unterkunft für die folgenden Tage.

10-9 Khorog, Blick nach Afghanistan

Blick nach Afghanistan

Als ich vor der Pension stand und mich umschaute, sah ich wie die Häuser meistens nur teilweise gemauert und oftmals aus Lehm gebaut waren. Äußerlich sahen die Gebäude wenig einladend aus, aber innen waren sie recht gemütlich, wie ich erfuhr, als eine älteres Ehepaar mich dazu einlud, ihre Wohnung zu betreten, um mir ein Zimmer anzubieten. Die Räumlichkeiten waren von unterschiedlicher Deckenhöhe und man musste sich bücken, um von dem einen ins andere Zimmer zu gelangen, alles recht düster aber gemütlich. Wände und Böden waren von Teppichen geziert,  für Licht sorgten einige Kerzen, Strom war hier Mangelware und da weit und breit kein Baum aufzufinden war, heizte man mit Kuhfladen, was eine wärmlich stinkende Anmutung in den Gebäuden erzeugte. Ich behielt mir aufgrund des Wetters vor, erst am kommenden Tag eine Entscheidung über die Anmietung des Zimmers zu treffen und verabschiedete mich mit der Aufnahme eine Fotos von dem Ehepaar, dem ich noch versprach, im Internet Werbung für sie zu machen. Schließlich hatten auch sie schon gehört, dass es so etwas gab, auch wenn hier oben letztlich nicht nur aufgrund der eingeschränkten Stromversorgung sondern auch aufgrund des fehlenden Funknetzes kein Empfang möglich war.

10-9 Murgab

Murgab

Nach der Besichtigung des Zimmers drehte ich eine kleine Runde in dem aufgrund der dichten Wolkendecke düster anmutenden Dorfes. Murgab zählte etwa 4.000 Einwohner und lag auf einer Höhe von knapp 3.700 Metern. Nachdem endgültig die Dunkelheit hereingebrochen war, kehrte ich zu meiner Pension zurück, wo sich der angebrochene Abend im weiteren Verlauf als sehr langweilig gestaltete. Zudem war es bitterkalt geworden, wogegen mein Kapuzenpullover wenig ausrichten konnte. Der Strom in Murgab war dermaßen schwach, dass ich in meinem Zimmer nur vage Umrisse erkennen konnte, an Lesen, Schreiben oder ähnliches war in keiner Weise zu denken. Zu Essen oder Trinken konnte man jetzt außerhalb der Marktzeiten auch nichts mehr besorgen und fließendes Wasser gab es nicht, weshalb ich mir die Zeit für die Dusche sparen konnte. Ich wartete also in meinem Bett unter einem Stapel von Decken, bis ich endlich eingeschlafen war. Als der Morgen anbrach, hatte das Wetter noch immer nicht umgeschlagen, Kälte, Dunkelheit, Regen, ich fasste den Entschluss, sofort nach Sary Tash weiterzureisen, um noch vor dem Wochenende die chinesische Grenze zu erreichen, die nur von Montag bis Freitag geöffnet und noch etwa 400 Kilometer entfernt war. Ich sehnte mich nach dem zivilisierten China und hoffte, mich würde jemand mit nach Kirgisien nehmen, denn kaum zwei Monate zuvor gab es dort ein Blutbad in Osh und im Fergana Tal, dem Schätzungen zufolge knapp 3.000 Menschen zum Opfer gefallen waren. Am Marktplatz warteten die Sammeltaxis, aber schnell stellte sich heraus, dass mein Bemühen, eine Mitfahrgelegenheit nach Sary Tash zu finden, sich als relativ aussichtslos herausstellte. Zurück nach Khorog wäre kein Problem gewesen, auch die Weiterreise an die Grenze wurde mir angeboten. Aus Angst um Leib und Leben war jedoch keiner der Fahrer bereit, mich hinein nach Kirgisien zu fahren, da die Sorge bestand, dass die ethnischen Unruhen jederzeit wieder aufflammen konnten. Nach gut zwei Stunden verließ ich entnervt die Sammelstelle, um einen Spaziergang anzutreten und mir in Ruhe zu überlegen, ob ich mich nur bis an die Grenze fahren lassen sollte. Die Angaben waren unterschiedlich gewesen, mal hatte man mir erzählt, die Grenze wäre von Sary Tash nur zehn Kilometer entfernt, ein anderes Mal wurden fünfzig Kilometer erwähnt. Vermutlich wohnten Grenzbeamte in Sary Tash und konnten mir eine Mitfahrgelegenheit anbieten. Aufgrund des kalten Wetters, wollte ich es aber nicht darauf ankommen lassen. Nach meinem Rundgang durch das Dorf, nahm ich mir vor, es noch einmal zu versuchen. Als ich wieder an dem Treffpunkt angekommen war, fand ich dort drei junge Studenten vor, die ebenfalls nach Kirgisien reisen mussten, wo sie in der Hauptstadt Bishkek an der Universität eingeschrieben waren und die zu meinem Glück gut Englisch sprechen konnten.

10-9 in Murgab

Die Vermieter

„I paid for it“, schrie der junge Japaner einige Stunden später am Grenzübergang von Tajikisatan nach Kirgisien. Wir hatten tatsächlich einen Fahrer gefunden, doch selbst für die Studenten, Azizmamadov mit seiner kleinen Schwester und Sharif Vatanshoev war das keine einfache Angelegenheit gewesen. Es hatte noch gut zwei Stunden gedauert, ehe wir Murgab verlassen konnten und mit einem Gelände tauglichen Mitsubishi-Jeep über den Pamir-Highway und den knapp 4.300 Meter hohen Kyzyl-Art Pass, vorbei am Karakul See bis hierher gelangten. Zwischen Murgab und der Grenze gab es nur ein kleines, Gott verlassenes Dorf mit etwa zehn Häusern. Hier und dort kam uns ein Fahrradtourist entgegen, wobei sich die Schwester von Azizmamadov jedesmal fragte, ob man wohl Geld für solch eine Fahrradtour bekommen würden. Ja, bei diesem Wetter war es sicherlich nicht angenehm durch die Berge zu fahren und schwer vorstellbar, dass man das freiwillig machen konnte. Außerdem war es eine ziemliche Tortur, denn bei der dünnen Luft meist über 4.000 Metern dauerte es einige Tage bis man von einem zum nächsten Dorf kommen konnte. Entsprechend Proviant und Wasser waren von Nöten, sowie das Zelt und die ganze Ausrüstung eben. Sehr glücklich sahen die Radfahrer nicht aus, in dem Grau und Grau der Berge von weitem eher wie überladene Packesel mit heraushängender Zunge.

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Den Pamir hinauf

Der Japaner wollte sich einfach nicht beruhigen, was war geschehen? Als wir an der Grenze angekommen waren, dauerte die gesamte Prozedur gut zwei Stunden, obwohl wir neben dem Fahrer nur zu viert waren. Kaum waren wir auf der anderen Seite in Kirgisien, kam ein halb zerfallener Bus russischer Kommunistenbauart aus Osh angefahren. Die Fahrer wollten nun die Gäste tauschen, so dass sie gleich zurück fahren konnten und sich dadurch jeweils etwa die halbe Strecke sparten. Der Japaner bestand allerdings auf sein Recht, mit seinem Fahrer bis nach Murgab zu fahren und wollte einfach nicht verstehen, dass er mit dem Mitsubishi-Jeep viel schneller dort ankommen würde. Leidtragende waren da eher die Studenten, die in dem viel langsameren Klapperbus bis Osh weiter reisen mussten. Als der Japaner auch nach viel Zusprache von den Studenten und meinerseits, nicht einsehen wollte, dass es sich für ihn um einen guten Deal handelte, wurde er nach etwa einer halben Stunde einfach vor die Wahl gestellt, entweder mit dem Jeep nach Murgab zu fahren oder an der Grenze zu bleiben. Dieses letzte Ultimatum wirkte und er ergab sich seinem Schicksal, während wir in dem Russenbus weiterfuhren, der nicht einmal halb so schnell vorankam und in dem es bitter kalt war, weil der Wind von allen Seiten hereinpfiff. Die kleine Schwester von Azizmamadov fluchte inzwischen unentwegt, da sie in ihrem kurzen Minirock und ihren High Heels jämmerlich fror. Wir erreichten Sary Tash noch vor Anbruch der Dunkelheit und ich verließ bei dem ersten und vermutlich einzigen Gästehaus in dem Dorf den Bus und bedankte mich bei den dreien, die noch etliche Stunden vor sich hatten, ehe sie im Fergana Tal ankommen würden.

Reiseberichte:

Travel Report 14/1: In Alma Ata
Travel Report 14/2: Wodka in Khiva
Travel Report 14/3: Am Aralsee
Travel Report 14/4: Über Samarkand nach Pandjakent
Travel Report 14/5: In den Schluchten Tadschikistans
Travel Report 14/6: Eine Nacht in Murgab
Travel Report 14/7: Hinunter zu den Uiguren

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